ORF/JOSEPH SCHIMMER
1930
Karl-Marx-Hof, Wien
"Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen." Mit diesen Worten eröffnete 1930 der damalige Bürgermeister Karl Seitz den Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Gemeindebezirk.
15. Oktober 2018, 10:24
Rostrote Ikone des Roten Wien
Jakob Fessler
Eröffnung: 1930
Architektur: Karl Ehn
Adresse: 1190 Wien, Heiligenstädter Straße 86-92
Der Architekt Karl Ehn war ein Schüler von Otto Wagner und plante die Anlage. Sie ist eine der zahlreichen sozialen Wohnbauten der Stadt Wien. Die Frontseite ist fast 1.200 Meter lang und vier Gassen queren den Bau. Somit gilt er als längster zusammenhängender Wohnbau der Welt.
Seit es ihn gibt, wohnt Doris Nasty im Karl-Marx-Hof. Die heute 89-Jährige zog damals mit ihren Eltern und ihren zwei Schwestern in eine der damals 1.382 Wohnungen. Ihr Vater war ein Elektroingenieur, sie selbst nähte schon als Kind gerne und wurde Schneidermeisterin. "Es war wunderbar im Hof zu spielen", erinnert sich Doris Nasty. Bis heute lebt sie gerne im Karl-Marx-Hof.
Lediglich 18 Prozent der Gesamtfläche sind verbaut. In den Höfen befinden sich Spielplätze und Grünanlagen. Eisenoxidrot und Ockertöne prägen die farbliche Gestaltung des Karl-Marx-Hofes, der oft als festungsartig beschrieben wird. Große, bogenförmige Durchgänge durchziehen die Anlage. Hellblaue, hohe Fahnenmaste ragen in den Himmel. Die vier Keramikfiguren "Aufklärung", "Befreiung", "Kinderfürsorge" und "Körperkultur" des Bildhauers Josef Franz Riedl sind an einer der Fronten angebracht.
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Waschküchen, Kindergärten, eine Mutterberatung, ein Postamt und sogar eine Zahnklinik gab es einst im Karl-Marx-Hof. Seit dem Jahr 2010 befindet sich in einem der Waschsalons eine Ausstellung über die Geschichte des Roten Wiens. Zudem werden Führungen durch den Karl-Marx-Hof angeboten.
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Während den Februarkämpfen 1934 kam es auch im Karl-Marx-Hof zu blutigen Gefechten zwischen Republikanischem Schutzbund und Heimwehr, Militär und Polizei. Der starke Beschuss hinterließ am Gebäude seine Spuren. Viele neugierige Wienerinnen und Wiener kamen danach "Karl-Marx-Hof-Schauen", erzählt Doris Nasty.
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1934 wurde der Karl-Marx-Hof in "Biedermann-Hof" umbenannt. Karl Biedermann war als Kommandant der Heimwehr selbst an den Februarkämpfen beteiligt. Während der NS-Zeit hieß die Anlage "Heiligenstädter Hof" und wurde erst nach Kriegsende wieder umbenannt.
Service
Das Rote Wien im Waschsalon bietet Führungen durch den Karl-Marx-Hof an.
Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie - Karl-Marx-Hof
Gestaltung
- Jakob Fessler