
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
1978
Kernkraftwerk Zwentendorf, Niederösterreich
Sechs Jahre Bau und dann das: eine hauchdünne Mehrheit von 29.469 Stimmen sagte Nein. Nein zur Inbetriebnahme des fix und fertig gebauten Atomkraftwerks im niederösterreichischen Zwentendorf an der Donau.
5. November 2018, 12:46
Kraftwerk ohne Auftrag
Volksabstimmung: 1976
Adresse: 3435 Zwentendorf, Sonnenweg 1
Auf dem 24 Hektar großen Areal wurden Teile des Auwaldes für 1.050 meterdicke Betonzimmer abgeholzt – der gesamte Bau besitzt tatsächlich so viele Räume. Der Donaustrom fließt direkt daneben vorbei, was praktisch für die Kühlung gewesen wäre und weswegen man auf den obligatorischen Kühlturm hatte verzichten können.
Im Juli 1978 entschieden sich die 183 Nationalratsabgeordneten äußerst knapp für die Inbetriebnahme des ersten österreichischen Kernkraftwerks. Für den SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky war diese Mehrheit keine eindeutige Zustimmung und er veranlasste eine Volksabstimmung: Diese fand am Sonntag, dem 5. November statt.

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Zwischen Juli und November 1978 spitzte sich die Meinungslage immer mehr zu. Befürworter und Gegner fochten ihre Argumente öffentlich aus. Ein Ja zu Zwentendorf wurde mit dem Verbleib des Bundeskanzlers Bruno Kreisky verknüpft. Geht er, wenn die Inbetriebnahme abgelehnt wird? Er selbst sprach am Abstimmungsabend in der ORF-Liveübertragung: "Es ist eine persönliche Niederlage für mich, denn ich war derjenige, der die Volksabstimmung empfohlen hat, weil ich der Meinung war, es genüge nicht mit einer Stimme Mehrheit im Parlament einen solchen Beschluss zu fassen. Man müsse hier von der Möglichkeit, eine Volksabstimmung abhalten zu lassen, Gebrauch machen."

Kontrollzentrum des AKW Zwentendorf
AFP/JOE KLAMAR
Heute vierzig Jahre später steht das Gebäude glänzend da: Es wird als Konzertkulisse, als Eventlocation und als Ausflugsort für stets ausgebuchte Publikumsführungen aufgesucht. Und es ist Trainingszentrum für Beschäftigte aller anderen noch in Betrieb befindlichen Atomwerke des gleichen Siedewasserreaktortyps der Baureihe SWR69.

Demonstration gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf in Wien 1977
ÖNB/VGA
Seit dem Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie im Jahr 2011 – nach dem Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima des gleichen Jahres und des gleichen Bautyps wie Zwentendorf – dient es auch als Experimentierfeld wie Kernkraftwerke überhaupt rückgebaut werden können.

ÖNB/VGA
1978: Bundeskanzler Bruno Kreisky vor dem Atomkraftwerk Zwentendorf
Das Innere des Atomkraftwerks ist strahlend schön: geputzt, gepflegt und perfekt konserviert. Dafür verantwortlich ist der niederösterreichische Energieversorger EVN, der das Kraftwerk aus Flächenwidmungsgründen (Kraftwerksstandort) im Jahr 2005 kaufte. Vier Jahre später kamen Photovoltaik-Paneele auf das Dach des Reaktorgebäudes und auf die Wiese daneben. Damit das Kraftwerk endlich jenen Strom liefert, den man sich im Jahr 1978 eigentlich erhofft hatte.