Humor gegen Nationalismus
"Herbst"-Intendantin Degot im Gespräch
Vor einem Jahr wurde Ekaterina Degot als neue Intendantin des steirischen herbstes vorgestellt. Nun hat die Nachfolgerin von Veronica Kaup-Hasler, Wiens neuer Kulturstadträtin, ihr erstes Programm präsentiert. Am 20. September geht es los - "Volksfronten" ist das Motto. Im Interview erzählt die gebürtige Russin, wo und wie diese Fronten verlaufen.
31. Jänner 2019, 11:42
Kulturjournal | 17 05 2018
"Es gibt viele Arbeiten, die sich kritisch mit dem Ethnonationalismus auseinandersetzen. Humor und Ironie finde ich dabei eine wichtige Waffe", Ekaterina Degot im Gespräch mit Dorothee Frank über ihre erste Festival-Ausgabe, die österreichische Politik und Erinnerungsarbeit.
Die neue Intendantin des steirischen herbstes, Ekaterina Degot, hat am 17. Mai Details zu ihrem ersten Programm und eine Künstlerliste veröffentlicht. Medienübergreifende Projekte - zwischen bildender Kunst, Performance, Installation, Tanz und Film - stehen da noch mehr im Vordergrund als bisher. Und unter denen, die Auftragsarbeiten für den steirischen herbst entwickeln, sind überproportional viele bildende Künstler, Künstler, die besonders gern interdisziplinär arbeiten.
Als Kuratorin mag ich es, wenn zeitgenössische Werke etwas tiefer gehen und sich mit der Geschichte auseinandersetzen. Denn vieles, was heute passiert, wurzelt in der Vergangenheit.
Das Festival wird wie ein Parcours durch Graz angelegt. Es werden auch neue Orte bespielt, vor allem in den Bezirken Gries und Lend jenseits der Mur, und so manches passiert im öffentlichen Raum, etwa auf der Schlossbergstiege.
Ekaterina Degot, Kunsthistorikerin und Kuratorin, geboren 1958 in Moskau, hat vor dem steirischen herbst die Akademie der Künste der Welt in Köln geleitet - ihr Name steht für einen Fokus auf Mittel- und Osteuropa und für ein betont politisches Programm; aber ohne erhobenen Zeigefinger, wie sie im Gespräch mit Ö1 durchklingen lässt.
Parade des Bread & Puppet Theater
"Volksfronten" lautet der Übertitel des diesjährigen Programms - "bewusst im Plural und auf höchst unterschiedliche historische Kontexte verweisend: die antifaschistischen Bündnisse der 1930er-Jahre, eine rechtsextreme nationalistische Gruppierung in den USA, eine ironische Bezeichnung für repräsentative Fassaden in der DDR", heißt es in einer Aussendung. "Ziel ist es, die leidenschaftlichen ideologischen Kämpfe und kollabierenden politischen Dichotomien der Gegenwart zu thematisieren."
"Installationen, Performances und diskursive Formate" sind über die ganze Stadt verteilt. Die Eröffnung findet nicht in der Helmut List-Halle (die während der ersten zehn Tage für eine Installation der in Moskau lebenden Künstlerin Irina Korina mit Pflanzen und Bäumen bestückt wird), sondern outdoor statt: Das Bread & Puppet Theater veranstaltet eine Parade. Höhepunkt des Eröffnungsabends soll auf der Kasematten-Bühne die Laibach-Version von "The Sound of Music" werden.
Am 21. September folgt das kontroverse Thema "Allah vs. Coca Cola" des in Warschau lebenden russischen Dramatikers und Regisseurs Ivan Vyrypaev. "Das Stück spielt auf einer Konferenz in Kopenhagen. Der Zuschauer in der Karl-Franzens-Universität wird das Gefühl haben, er ist auf einer richtigen wissenschaftlichen Konferenz, es ist aber gleichzeitig ein Theaterstück", so Degot im Gespräch mit der APA.
Performances & Taxirundfahrten
Ein "musikalisch-performativer Filmabend mit dem Künstler Roee Rosen" sowie eine auf den "Menschenlandschaften" des türkischen Dissidenten und Dichters Nazim Hikmet fußende Performance gibt es am 22. September. Zu den weiteren Programmpunkten zählen eine Performance von Nicoline van Harskamp, ein neuer Film, den das Wiener Künstlerduo kozek hörlonski gemeinsam mit Alexander Martinz gestaltet sowie Projekte von Yoshinori Niwa und Henrike Naumann.
Ein exklusives Festivalformat sind Taxirundfahrten mit dem Theater im Bahnhof. Eine Installation von Milica Tomic befasst sich mit dem ehemaligen Zwangsarbeiterlager Aflenz in der Nähe von Graz, während sich Michael Zinganel dem Erzberg und seiner Kriegsgeschichte nähert.
Und schließlich gibt es noch zwei internationales Symposien: Gemeinsam mit Camera Austria macht man sich Gedanken über "Die Hässlichkeit der Bilder", und mit Intellektuellen aus zahlreichen Ländern möchte man sich über "Unsere kleinen Faschismen" austauschen.
Text: APA, Red; Audio:ORF
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steirischer herbst - 20.9. bis 14.10.18