Empfangsbereich im ORF-Zentrum

ORF/ROMAN ZACH-KIESLING

ORF-Chefs

Eine angekündigte Personalie

Wen kann das lineare Fernsehen heute in Zeiten von Netflix und youTube überhaupt noch erreichen? Und wie können traditionelle Sender wieder jüngeres Publikum gewinnen? Das sind Fragen, denen sich Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk jetzt intensiv stellen wird. Der ORF-Generaldirektor hat dazu die lange erwarteten Personalentscheidungen getroffen.

Eine Schlüsselrolle in dieser Frage spielt ORF eins, das Programm geht seit einigen Jahren unter Infochefin Lisa Totzauer mit neuen Formaten im Informationsbereich in Richtung jüngere Zielgruppe. Das ZIB-Magazin zum Beispiel wird von Experten als sehr gelungenes Produkt bezeichnet.

Elisabeth Totzauer

ORF/THOMAS RAMSTORFER

Elisabeth Totzauer

Die Herausforderung ORF eins

Eines der Aushängeschilder von ORF eins ist Hanno Settele, der die kultige Wahlfahrt und viele Dok.Eins-Sendungen gemacht hat. Settele, der viele Jahre für ORF2 im Einsatz war, hat es in #doublecheck gut auf den Punkt gebracht: "Das war mir dann erst bewusst, als ich auf ORF eins angefangen habe, wie hart der Kampf um die etwas Jüngeren ist - und wir reden hier von bis zu 50-Jährigen. Wie hart dieser Kampf ist. Wie wenig man diese Leute ansprechen kann. Wie schwer die für ein Format zu gewinnen sind.“

Setteles Vorgesetzte als Informationschefin ist jetzt von Generaldirektor Alexander Wrabetz zur Channelmanagerin von ORF eins bestellt worden, Lisa Totzauer soll mit ihrem Team auf dem Weg in Richtung jüngeres Publikum weitergehen. Es geht um die unter 50-Jährigen, die das Programm mit mehr Eigenproduktionen verstärkt ansprechen soll.

"Anteil österreichischer Produktionen steigern"

Der ORF-Chef ist zuletzt beim Online-Talkformat "Brennpunkt" der "Kronen Zeitung" aufgetreten, dort hat Wrabetz zur Reform von ORF eins Stellung genommen und betont, dass auf diesem Kanal schon jetzt sehr viel österreichischer Inhalt gesendet werde - eben Information, aber auch eigenproduzierte Serien, Kinderprogramm, Dokumentationen und Sport. Das große Aber: "Ja wir haben noch zu viele amerikanische Filme und Serien, aber das werden wir jetzt ändern. Mit der großen Reform von ORF eins werden wir den Anteil österreichischer Produktionen im Programm ganz maßgeblich steigern."

Alexander Wrabetz

Alexander Wrabetz

APA/GEORG HOCHMUTH

Infoshow um 21 Uhr als Prestigeprojekt

Ein Prestigeprojekt von Wrabetz - er weiß, dass alle Branchenkenner das Gelingen sehr skeptisch beurteilen - ist eine neue Infoshow auf ORF eins. Die soll um 21:00 Uhr laufen und eine Dreiviertelstunde dauern. Eine Riesenherausforderung - auch für Wolfgang Geier, den der ORF-Generaldirektor jetzt zum Chefredakteur von ORF eins bestellt hat.

Wolfgang Geier

ORF/ROMAN ZACH-KIESLING

Wolfgang Geier

Geier ist ein sehr erfahrener und renommierter Innenpolitik-Redakteur, er war auch einige Jahre Korrespondent in den USA, was ihm fehlt, ist allerdings Führungserfahrung. Und er ist natürlich ein ORF2-Mann, er wird wahrscheinlich ein ähnliches Aha-Erlebnis wie Hanno Settele beim Wechsel auf den anderen Kanal haben. Apropos ORF2: Das Programm spricht mit seinen renommierten Informationssendungen ein älteres Publikum an, nämlich im Schnitt die Generation 50 plus. Der Generaldirektor hat dazu im "Krone"-Talk gesagt: "Wir haben auch eine älter werdende Bevölkerung, und ich würde jeden Politiker davor warnen, zum Beispiel den über 50-Jährigen ihre Lieblings-Freizeitbeschäftigung einfach wegzunehmen."

Neue Channel-Manager

ORF2 bekommt jetzt auch einen Channel-Manager, das ist Alexander Hofer, der bisher Chef der Seitenblicke-Sendung war. Und es gibt auch einen neuen Chefredakteur für ORF2, nämlich Matthias Schrom - der Tiroler löst den langjährigen ZIB-Chef Fritz Dittlbacher ab, der der SPÖ zugeordnet wird und schon seit Monaten als Ablösekandidat gehandelt worden ist.

Der Hebel war die Organisationsänderung mit den Channel-Managern und den Channel-Chefredakteuren, damit wurde der Posten von Dittlbacher quasi wegreformiert. Er hat sich zwar auch für den neuen Posten des ORF2-Chefredakteurs beworben, war aber von vornherein chancenlos.

Matthias Schrom

ORF/GÜNTHER PICHLKOSTNER

Matthias Schrom

ORF2-Chefredakteur im Fokus

Nur das Votum der Redakteursversammlung, das hat Dittlbacher haushoch gewonnen - mit 48 von mehr als 100 Stimmen, während Schrom nur neun Stimmen erhalten hat. Dittlbacher ist quasi Chefredakteur der Herzen, aber Schrom übernimmt diese wichtige Führungsfunktion - mit praktisch keiner Führungserfahrung, wie Kritiker nicht zu Unrecht anmerken. Und die ORF-Information, das sind 150 Leute und ein 50-Millionen-Budget.

Schrom und die anderen neu bestellten Chefs sind alle Top-Fernsehleute. Aufgrund der langen Vorgeschichte der Bestellung haftet ihnen aber das Image einer Bestellung mit Rücksicht auf parteipolitische Wünsche an. Das macht den Start in diesen neuen Positionen nicht leichter, gemessen werden die Neuen freilich an ihren Taten. Und ganz besonders ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom. Ihm gegenüber ist der Misstrauensvorschuss - auch in der ZIB-Redaktion - besonders groß.

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