Blick aus der Wiener Hauptbücherei am Gürtel

INÉS BACHER

Wiener Festwochen

"Into the City" - Denkinsel über dem Tumult der Stadt

Seit 13 Jahren trägt die Festwochen-Programmreihe "Into the City" bei freiem Eintritt Kunstprojekte hinein in die Stadt und hinaus in den öffentlichen Raum, diesmal in die Wiener Hauptbücherei am Gürtel, wo von 29. Mai bis 16. Juni unter dem Motto "Archipelago - Insel des unvorhersehbaren Denkens" Lesungen, Filmvorführungen, Performances und Ausstellungen zu erleben sind.

Mittagsjournal | 28 05 2018

Judith Hoffmann

Kulturjournal | 28 05 | Kurator Wolfgang Schlag im Gespräch

Ein Ort des friedlichen Miteinanderdenkens

3.000 Menschen besuchen täglich die Hauptbücherei am Gürtel. Die Programmschiene "Into the City", nimmt das hier versammelte Wissen und Denken nun für ein paar Wochen in den Fokus, so Kurator Wolfgang Schlag: "An diesem fast schon utopischen Ort, wo Menschen aus unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Kontexten respektvoll miteinander umgehen, wollen wir das gesammelte Wissen mittels unserer Kunstprojekte sichtbar machen."

Geschichtenvorlesen als Geste des Widerstands

Zum Beispiel in den großformatigen Fotografien der Künstlerin Verena Melgarejo-Weinandt, die an den Wänden der Kinderbuchabteilung hängen. Die Fotos zeigen Frauen der ersten Migrantengeneration aus Lateinamerika, die ihren eigenen und anderen Kindern vorlesen. Die Vorleserinnen tragen fantasievolle Masken, die an Superheldinnen erinnern, das Vorlesen selbst wird zum Akt der Rebellion und des Widerstands.

Wiener Hauptbücherei am Gürtel

INÉS BACHER

Wiener Hauptbücherei am Gürtel

"Es ist kein Ort, wo man auf den ersten Blick Widerstand vermuten könnte, aber tatsächlich werden vor allem in indigenen Lateinamerikanischen Gesellschaften oft Kinderbücher verwendet, um die eigene Tradition, das Wissen, die eigene Identität und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermitteln", so die Künstlerin.

Niederschwelligkeit als oberstes Prinzip

Die Klarheit und Unverblümtheit der Sprache mache Kinderbücher zu idealen Medien, um komplexe Thematiken verständlich zu vermitteln, so Melgarejo-Weinandt. Ihre Arbeit steht damit zugleich für ein wichtiges Motto der ganzen Veranstaltung, so Wolfgang Schlag: "Die Niederschwelligkeit. Bei allen Veranstaltungen ist der Eintritt frei; und wir versuchen über Workshops und Veranstaltungen an ganz unterschiedliche Gruppen heranzukommen."

Ein solcher Workshop findet derzeit im "Into the City"-Atelier statt. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Höheren Grafischen Lehranstalt erarbeitet die serbische Künstlergruppe Skart dort Schriftzüge, Fragen und Botschaften, die in den kommenden Wochen an den Wänden der Bücherei zu lesen sein werden.

Ein Ort nicht nur zum Denken

So einfach und unverblümt wie möglich, Nonsense und Skurrilität herzlich willkommen, lautet die Anweisung des Atelierleiters Dragan Protic. Es gehe schließlich darum, die Scheu vor diesem geballten Wissen abzulegen, die ihn selbst jahrelang davon abgehalten habe, öffentliche Büchereien und Bibliotheken zu besuchen, wie er erzählt.

Anders als die strengen Regeln der Büchereien seiner Kindheit und Jugend in Belgrad sei die Hauptbücherei ein ungewohnt freundlicher, offener und einladender Ort. "Menschen kommen hier auch her, nur um sich auszuruhen oder aufzuwärmen", ergänzt Kurator Wolfgang Schlag.

Schauen, Stehenbleiben, Mitmachen

36 Kunstprojekte und Ausstellungen sind in den kommenden Wochen bei freiem Eintritt in der Hauptbücherei zu erleben. Darunter auch Natalie Deewans Projekt "Ship & Shop". In ihren "anagrammatischen Stammtischen" können interessierte Sprachbastler die Aufschriften von leerstehenden oder noch florierenden Geschäften rund um die Hauptbücherei remontiert und zu neuen Bedeutungen umgewandelt.

"Man geht danach mit einem völlig anderen Blickwinkel durch die Stadt", verspricht sie. Ein Versprechen, das wohl zahlreiche der fast täglichen Veranstaltungen, von Workshops über Filmvorführungen bis zu Ausstellungsrundgängen und Gesprächen, bis zum 16. Juni einlösen werden.

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