Frau verwendet ein Smartphone

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Matrix

Einfach abschalten

Dank Internet, Social Media und Smartphone sind wir ständig erreichbar. Das ist nützlich, kann aber auch ziemlich stressig sein. Manch einer legt daher eine bewusste Handy-Pause ein oder deaktiviert sein Facebook-Profil. Und längst gibt es auch Apps, die beim Offline-Gehen helfen sollen.

Ein Alltag ohne Smartphone in unserer Tasche – das mag für viele Menschen eine Horror-Vorstellung sein. Andererseits empfinden viele von uns das Leben mit dem Smartphone als ständigen Begleiter auch als anstrengend und stressig, sagt Christiane Eichenberg. Sie ist Universitätsprofessoren an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien, wo sie das Institut für Psychosomatik an der medizinischen Fakultät leitet, und sich mit den Schnittstellen von Psychologie, Psychotherapie, Psychosomatik und neuen Medien beschäftigt.

"Wir müssen uns selber darüber klar werden, über welche Medien wollen wir erreichbar und wie oft wollen wir verfügbar sein?"

Einerseits kann man realistischer Weise nicht ganz auf Smartphone und Internet verzichten - andererseits möchte man aber weniger Zeit online verbringen. Aus dieser Gegensätzlichkeit ist ein neuer Trend entstanden: "Digital Detox", die vorrübergehende Auszeit von Smartphone und Computer, eine Art "Internet-Pause". Entweder in Eigenregie oder von Reiseveranstaltern organisiert, etwa als Digital-Detox-Camp.

Für Menschen, die keine abhängige Nutzung aufweisen, aber trotzdem wieder mehr mit der Offline-Welt interagieren möchten, seien solche Pausen durchaus sinnvoll, erklärt Eichenberg. "Im psychologischen Terminus gesprochen, Primär-Prävention: Wir schaffen Auszeiten, wir reflektieren unser Mediennutzungsverhalten, um dann die gesunde Smartphone- und Internetnutzung beizubehalten."

Frauenhände halten Smartphone

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Eine internetfreie Woche ist nicht ausreichend, wenn eine tatsächliche Verhaltenssucht vorliegt. Aber wenn dies nicht der Fall ist, kann eine solche Pause helfen, damit man sich selbst und sein Nutzungsverhalten besser verstehen kann. Was genau geht mir ab? Wie sehr? Und welche Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf?

Wer zu viel Zeit vor dem Smartphone verbringt, kann nun die eigene Smartphone-Nutzung überwachen - und zwar mit dem Smartphone.

Dass Soziale Medien und die ständige Ablenkung durchs Smartphone schnell zu viel werden können, können mittlerweile selbst die Smartphone-Hersteller nicht mehr ignorieren. Anfang Juni veranstaltete Apple in Kaliforniern seine jährliche Entwicklerkonferenz. Und neben vielen anderen Ankündigungen widmete man sich dort auch der digitalen Überforderung: Die kommende Version des Betriebssystems für Apples mobile Geräte werde mit ein paar Features kommen, die einem dabei helfen sollen, Ablenkungen zu reduzieren und besser zu verstehen, wie man die Zeit vor dem Smartphonebildschirm genau verbringt, hieß es.

Apps zum Überwachen der eigenen Online-Pause, Digital-Detox-Camps und Offline-Urlaube – mit dem Bedürfnis, aus der digitalen Vernetzung auszusteigen, lässt sich offenbar Geld machen und bewusstes Offline-Gehen scheint im Trend zu liegen.

"Online-Pause, Digital-Detox-Camps und Offline-Urlaube sind ganz sicher Lifestyle-Trends. Auf jeden aktuellen Trend, wie eben die Mediengesellschaft, gibt es immer wieder einen Gegentrend", sagt Christiane Eichenberg.

"In manchen Teilen der Welt ist Digital-Detox eine Mode der Mittelklasse – wie Yoga-Retreats."

Wenn man das Smartphone zuhause lässt und seinen Facebook-Account deaktiviert, dann fällt man auf. Allerdings droht der Markt das "Abschalten" auf Produktivität zu reduzieren, befürchtet Alex Beattie von der Victoria University of Wellington in Neuseeland. Man geht zum Beispiel 30 Minuten offline, um dann umso konzentrierter weiterarbeiten zu können. Oder: Der Erfolg des Offline-Seins wird an der Dauer der Pause gemessen.

In seiner Doktorarbeit will sich Beattie außerdem mit der Frage auseinandersetzen, ob Offline-Gehen etwas ist, das sich jeder und jede leisten kann. "Digital-Detox wird nicht von ungefähr als etwas gesehen, das in manchen Teilen der Welt in der Mittelklasse in Mode ist – wie Yoga-Retreats. Entfliehe deinem stressigen Alltag! Aber wenn Sie zum Beispiel Journalist oder Lehrer sind, gehen die Menschen davon aus, dass sie online sind. Dann können Sie Ihr Smartphone nicht einfach für eine halbe Woche ausschalten und abtauchen. Damit würden Sie Ihren Job gefährden."