Olga Neuwirth

APA/HANS KLAUS TECHT

Über die Grenzen von Raum und Zeit

Alles Gute, Olga Neuwirth!

Sie unterscheidet nicht zwischen "high" und "low", integriert in ihrem Werk Einflüsse von Pop und Jazz, hat schon früh multimedial gearbeitet, sich mit ihrer musikalischen Sprache in die Universen der Texte von Elfriede Jelinek und Herman Melville versenkt und ist mit ihren gesellschaftskritischen Aussagen angeeckt.

Zu ihren musikalischen Leitfiguren gehören die Hip-Hopper N.W.A (Niggaz Wit Attitudes) genauso wie Klaus Nomi und Luigi Nono. Sie ist mit Preisen hochdekoriert, bei deren Entgegennahme sie Unbehagen äußert. Olga Neuwirth, für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" "eine führende Kraft unter den avantgardistischen Tonsetzern ihrer Generation", feiert am 4. August ihren 50. Geburtstag.

Über die Grenzen von Raum und Zeit

Geboren wurde Neuwirth in Graz, ab ihrem siebenten Lebensjahr bekam sie Trompetenunterricht, als Jugendliche spielte sie zudem in einer Punkband. Nach einem Unfall, bei dem sie sich eine Kieferverletzung zugezogen hatte, musste sie das Trompetenspielen aufgeben. Damals war sie 15 Jahre alt. Im Rahmen einer Jugendmusikwerkstatt mit Hans Werner Henze entdeckte Neuwirth die Welt der Komposition für sich. Dabei lernte sie auch die Schriftstellerin Elfriede Jelinek kennen, mit der sie zahlreiche Projekte umgesetzt hat.

Lange Zeit konnte sich Neuwirth nicht entscheiden, "möchte ich Filme machen, malen oder komponieren?", so die Künstlerin bei einer Buchpräsentation anlässlich ihres 40. Geburtstags. Film, Texte und die bildende Kunst spielen im Werk der Jubilarin daher bis heute eine bedeutende Rolle.

"Neuwirth ignoriert Grenzen" Susanne Kogler

Aspekte, die auch bei einem Symposium im Mittelpunkt standen, mit dem die Kunstuniversität Graz Neuwirth im Juni dieses Jahres geehrt hat. "Kunst als Spiegel realer, virtueller und imaginärer Welten" war der Titel der Veranstaltung. "Mit Installationen, Videos, Opern, Schauspielmusiken, Filmen, vokaler, instrumentaler und elektronischer Musik bedient sie eine Fülle von Genres, deren Grenzen jedoch permanent erweitert und überschritten werden", so beschreiben Susanne Kogler (Universitätsarchiv der KUG) und Stefan Drees (Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin) Neuwirths polyglottes Kunstkonzept. "Neuwirth ignoriert Grenzen", sagt Kogler. "Sie sprengt oft den gegebenen Aufführungsrahmen und fordert die Institutionen, die sich darauf einlassen, zu praktischen Innovationen heraus."

Wahlheimat Venedig

Zentrale Facetten von Neuwirths Klangsprache finden sich in "Le Encantadas", einem der aufwendigsten Wien-Modern-Projekte. Das 70-minütige Werk wurde ohne Bilder zum atemberaubenden Kopfkino, dank ausgefeilter Raumklang-Technik: Mit Hilfe des Pariser Akustik-Forschungsinstituts IRCAM fing Neuwirth die aus allen Richtungen kommenden Glockenklänge in der Lagune ihrer langjährigen Wahlheimat Venedig präzise ein.


Zudem wurde die Raumakustik der Chiesa di San Lorenzo, in der sie als 16-Jährige eine prägende Aufführung von Luigi Nonos "Prometeo" gehört hatte, für das Projekt so genau vermessen, dass sie sich mithilfe einer Vielzahl an Lautsprechern in der Halle E des Museumsquartiers simulieren ließ. Dem Klang des Orchesters konnte somit die Raumakustik der venezianischen Kirche übergestülpt werden.

Exklusiv für den Kultursender

Für Ö1 erstellte Neuwirth daraus eine exklusive Dolby-Surround-Mischung. So kann man sich durch akustische Räume und Klanglandschaften bewegen, die u. a. von Herman Melvilles Skizzen von seiner Reise zu den Galapagosinseln inspiriert worden sind. Das Stück vereint "Ebenen von Künstlichkeit und Realität", so Neuwirth im Ö1 Interview. Es geht um die Durchdringung des künstlichen und des echten Raums: "Deswegen ist dieses Werk für mich wie ein fiktiver Abenteuerroman, der durch verschiedene Raum-, Zeit- und Klangphänomene führt."

Gestaltung

  • Rainer Elstner