THIMFILM/COLLECTIVE EYE FILMS
Wir ernten, was wir säen
"Unser Saatgut" - Kinodoku feiert Vielfalt
544 verschiedene Kohlarten hat es noch vor hundert Jahren gegeben, davon bestehen heute nur noch 25. Der Dokumentarfilm "Unser Saatgut" zeigt diese Diversität und führt gleichzeitig vor Augen, welcher Bedrohung sie gegenwärtig ausgesetzt ist.
11. November 2018, 02:00
Morgenjournal | 11 10 2018
Wolfgang Popp
Nördlich des Polarkreises, auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, ragt ein bunkerartiges Gebäude aus dem Eis, wie aus einem James-Bond-Film.
Die Arche Noah am Polarkreis
Dabei handelt es sich allerdings nicht um das Hauptquartier eines Bösewichts, sondern um eine Pflanzensamenbank, in der annähernd eine Million Samenproben lagern, darunter allein 70.000 unterschiedliche Reissorten. Die Artenvielfalt soll hier vor genetischer Verunreinigung, Pflanzenepidemien und möglichen Atom- und Naturkatastrophen geschützt werden.
Regisseur Taggart Siegel: "Es ist eine Arche Noah am Polarkreis. Wie alle anderen Saatbanken ist aber auch sie nicht völlig sicher. Kürzlich schmolzen etwa Teile des Permafrostbodens und es kam zu einem Wassereintritt, bei dem aber glücklicherweise kein Saatgut beschädigt wurde."
THIMFILM/COLLECTIVE EYE FILMS
Jäger des verlorenen Saatguts
Zahlreiche Länder besitzen ihre eigenen staatlichen Saatbanken, daneben zeigt der Film aber auch verschiedene Privatinitiativen. Da begleiten die Filmemacher Jon Betz und Taggart Siegel etwa ein Brüderpaar, das sich wie Indiana Jones durch Regenwald und Wüste schlägt, bei dem verlorenen Schatz, um den es den beiden geht, handelt es sich allerdings um unbekannte oder in Vergessenheit geratene Nutzpflanzen.
"Sie sind besessen und durchforsten die ganze Welt auf ihrer Suche nach neuen Pflanzen", sagt Taggart Siegel. "Wenn man ihnen zuhört, glaubt man, es geht nicht um Samen, sondern um Juwelen und Edelsteine."
Hybrid-Saat und Herbizide
Der Niedergang der Artenvielfalt wurde in den 1920er Jahren eingeleitet, als hybrides Saatgut aufkam. Ein guter Farmer, so heißt es im Film, war nicht mehr derjenige, der am häufigsten in die Kirche ging, sondern der mit der größten Ernte und die bekam man eben nur mit Hybrid-Saatgut.
Es sind Chemiekonzerne wie Syngenta oder die kürzlich von Bayer übernommene Monsanto, in deren Händen gleichzeitig die Hybrid-Saat- Produktion und die Herstellung von Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln liegt.
Patentiertes Leben
Damit aber nicht genug, ist es noch zu einer weiteren Monopolisierung gekommen. Taggart Siegel: "Thomas Jefferson, einer der Gründerväter der USA hat schon vor zweihundert Jahren gemeint, dass Leben nicht patentiert werden darf. Und heute haben wir einen Obersten Gerichtshof, der genau der Patentierung von Saatgut zugestimmt hat. Tragischerweise befindet sich dieses Patent in den Händen von wenigen Großkonzernen wie Bayer, Syngenta und Dupont, die damit zwei Drittel des kommerziellen Saatguts weltweit besitzen."
Lila Mais und gelbe Bohnen
So scharf der Film "Unser Saatgut" die Chemiekonzerne anprangert, so lustvoll erzählt er von seltenen und nie gesehenen Pflanzen. Und wenn er leinwandfüllend lilaschillernde Maiskörner und gelb marmorierte Bohnen zeigt, bekommt man Lust sich mit Bomben gegen die Chemiekonzerne zur Wehr zu setzen: Mit Samenbomben, versteht sich.
Gestaltung
- Wolfgang Popp