Lise Meitner

AP/HEINRICH SANDEN

Dimensionen

Lise Meitner - Österreichs Madame Curie

Lise Meitner war neben Selma Freud die zweite weibliche Physikabsolventin an der Universität Wien. Ihr gelang die erste theoretische Deutung der Kernspaltung. Die Anerkennung dafür wurde ihr aber lange Zeit verwehrt.

Lise Meitner wird 1878 als drittes Kind jüdischer Eltern in Wien geboren. In diesem Jahr darf man noch Jude, nicht aber eine Frau sein, wenn man später studieren möchte. Trotzdem nimmt sie an der Wiener Universität ein naturwissenschaftliches Studium auf, als erste Frau überhaupt hört sie in Österreich Vorlesungen über Physik. Meitners großes Vorbild ist Marie Curie, deren Arbeiten über Radioaktivität sie begeistern und zu eigenen Forschungen antreiben.

"Herzlich liebe ich die Physik. Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt."

Sie wird Studentin von Ludwig Boltzmann, arbeitet in Berlin unter Max Planck und klärt 1938/1939 gemeinsam mit Otto Hahn die Kernspaltung auf. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Lise Meitner bereits in Schweden, nachdem sie von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben worden ist. Ab 1947 leitet sie die kernphysikalische Abteilung des Physikalischen Instituts der TU Stockholm.

"Pionierin des Atomzeitalters": David Rennert und Tanja Traxler über die Lebensgeschichte der Physikerin Lise Meitner im "Kontext"-Studiogespräch mit Wolfgang Ritschl.

Lise Meitner in New York, 1946

Lise Meitner in New York, 1946

AP

Stockholm im Dezember 1938: Enrico Fermi erhält den Physiknobelpreis für die künstliche Erzeugung radioaktiver Elemente, die ihm vor vier Jahren in Rom gelungen ist. Doch schon nach ein paar Wochen muss die Königliche Akademie feststellen, dass dies ein Irrtum ist. Immerhin kommt die sensationelle Korrektur aus dem schwedischen Dorf Kungälv. Dort verbringt die österreichische Physikerin Lise Meitner die Weihnachtstage.

Zur Jahreswende gelingt ihr die theoretische Deutung der Kernspaltung, die Otto Hahn und Fritz Strassmann in Deutschland durchgeführt haben. Und nun wird auch klar, dass Fermi sein Experiment von 1934 falsch interpretiert und in Wahrheit erstmals Uran gespalten hat. Eine von den Nationalsozialisten ins Exil vertriebene jüdische Physikerin klärt den männlich dominierten Forschungsbetrieb über einen kapitalen Fehler auf.

"Lise Meitner war die geistig Führende in unserem Team gewesen, und darum gehörte sie zu uns – auch wenn sie bei der 'Entdeckung der Kernspaltung' nicht direkt gegenwärtig war." Fritz Strassmann

Als Lise Meitner 1946 bei der Verleihung des Nobelpreises an die Kollegen Hahn und Strassmann übergangen wird, ist das der letzte hochoffizielle Diskriminierungsakt gegen eine Forscherin, deren Arbeiten zu den bedeutendsten in der Kernphysik des 20. Jahrhunderts zählen.

"Ihre Arbeit ist gekrönt worden mit dem Nobelpreis für Otto Hahn." Renate Feyl

Lise Meitner und Otto Hahn, 1957

Lise Meitner und Otto Hahn, 1957

AP/WERNER KREUSCH

Erst im Alter erhält Meitner zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen und jene Anerkennung, die ihr als Frau und Jüdin lange Zeit verwehrt werden. "Österreichs Madame Curie" stirbt am 27. Oktober 1968 in Cambridge. Heute erinnert das chemische Element 109 an die bedeutende Physikerin: Das "Meitnerium".

Gestaltung

  • Armin Stadler