Andrej Kurkow

Andrej Kurkow - AFP/JOEL SAGET

Roman

Von Ost nach West - Kurkows "Kartografie der Freiheit"

Der ukrainische Autor Andrej Kurkow ist nicht nur ein gefragter Kommentator der politischen Gegenwart in seiner Heimat, er ist vor allem auch als Bestsellerautor bekannt - mit skurril-grotesken satirischen Romanen, die er gern in der sowjetischen Vergangenheit angesiedelt hat. Die Zeit des "Euromaidan" erlebte er als Aktivist hautnah mit, seine Erfahrungen schrieb er im "Ukrainischen Tagebuch" nieder. Jetzt ist wieder ein neuer Roman erschienen: "Kartografie der Freiheit".

Morgenjournal | 03 12 2018

Kristina Pfoser

Kulturjournal | 03 12 2018 | Interview

Kristina Pfoser

Andrej Kurkow kennen wir als Autor witzig-pointierter Romane, von Geschichten gespickt mit skurrilen und grotesken Szenen. In seinem neuen Roman geht es ernster zu und das hat gleich mehrere Gründe. "Im Jahr 2012 habe ich mit der Arbeit an dem Buch begonnen und bald darauf begannen die Bürgerproteste des Euromaidan und ich war mit anderen Dingen beschäftigt, unter anderem mit meinem Maidan-Tagebuch, und dann kam die Annexion der Krim. Der zweite Grund ist das Thema: Es geht um Migration; genauer gesagt um die Tatsache, dass die Menschen aus Osteuropa noch immer versuchen, nach Westeuropa zu kommen, auch wenn sie bereits selbst in einem EU-Land leben."

Das "alte" und das "neue Europa"

Nach wie vor gebe es eine große Kluft zwischen dem so genannten "neuen", dem östlichen Europa und dem "alten Europa", sagt Andrej Kurkow und in diesem dazwischen hat er auch seinen Roman angesiedelt. Vom Rand der EU, genauer von einem Dorf im äußersten Zipfel von Litauen, machen sich drei Paare auf in ein neues Leben: Die einen gehen nach London, die anderen nach Paris und das dritte Paar versucht einen Neustart im Baltikum. Alle sind getragen vom europäischen Traum, "dieser Traum lebt vor allem am Rand von Europa", meint Kurkow.

"Das intellektuelle Niveau der Politik ist nach unten gegangen."
Andrej Kurkow

20. Dezember 2007

Die Handlung setzt am 20. Dezember 2007 ein - das Datum ist nicht zufällig gewählt. Es war der Tag der Schengen-Erweiterung, das bedeutete für EU-Bürger vom Polarkreis bis Sizilien, von den Kanaren bis zum Baltikum eine grenzenlose europäische Reisefreiheit. Heute, elf Jahre später, ist davon keine Rede mehr, nicht zuletzt deshalb, weil verschiedene politische Kräfte versuchen, den Menschen zu Angst machen, meint Kurkow. "Das intellektuelle Niveau der Politik in Europa, und nicht nur da, ist nach unten gegangen."

Im Nachwort zu seinem Roman schreibt er: "Ich war und bin bis zum heutigen Tag gleichzeitig Europa-Optimist und Europa-Realist." Und er fügt hinzu: In der Ukraine habe das Wort Europa viele Bedeutungen: "Für die alte Generation heißt Europa soziale Garantien und ein Leben ohne Korruption und so weiter. Aber für die Jungen ist Europa viel mehr und ich glaube, dass sich die Ukraine noch näher an Europe und an die europäischen Werte annähern wird."

Die Ukraine braucht keinen Krieg

Darauf hofft Andrej Kurkow angesichts des aktuellen Konflikts mehr denn je: "Die Ukraine braucht keinen Krieg. Die Ukraine braucht vor allem Veränderungen in der russischen Politik, ohne diese Veränderungen wird es keine ruhige und stabile Ukraine geben."

"Kartografie der Freiheit" - das ist ein Roman über das Europa von heute - mit mystisch-märchenhaften Anklängen aber ohne Illusionen.

Srevice

Andrej Kurkow, "Kartografie der Freiheit", Roman, aus dem Russischen von Claudia Dathe, Haymon Verlag

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