Szene aus dem Film: Astrid liegt mit ihrem Sohn Lasse im Gras.

ERIK MOLBERG HANSEN

Film

"Astrid" - Wie Astrid Lindgren zu Astrid Lindgren wurde

Die 2002 in Stockholm verstorbene Astrid Lindgren zählt wohl zu den bekanntesten Kinderbuchautorinnen der Welt. Pippi Langstrumpf, Michel von Lönneberga, die Kindern von Bullerbü oder Ronja Räubertochter werden auf der ganzen Welt gelesen. Jetzt kommt ein Film in die Kinos, der Astrid Lindgrens Jugendjahre beleuchtet.

Mittagsjournal | 05 12 2018

Katharina Menhofer

Kulturjournal | 05 12 2018 | Regisseurin Pernille Fischer Christensen im Gespräch

Katharina Menhofer

Über ihr eigenes Leben sind im Laufe der Jahre viele Biografien erschienen. Dass sie bereits mit 18 Mutter war und ihr Kind zu einer Pflegemutter geben musste, hat sie lange Zeit nicht thematisiert. Der Film "Astrid" der dänischen Regisseurin Pernille Fischer Christensen beschreibt Lindgrens schwierigen Weg in die Selbständigkeit und ihre Beziehung zu ihrem Sohn. "Astrid" wurde heuer bei der Berlinale vorgestellt.

Post-Bullerbü-Jahre

In ihrer kleinen Wohnung in der Stockholmer Dalsgatan sitzt die alte Astrid Lindgren an ihrem Schreibtisch und öffnet Briefe und Zeichnungen, die ihr Kinder aus der ganzen Welt geschickt haben, so beginnt der Film Astrid von Pernille Fischer Christensen. "Warum", so fragt ein Bub, "kannst du so gut darüber schreiben, wie es ist ein Kind zu sein?" Die eigene behütete und freie Kindheit in Smaland war wohl die unerschöpfliche Quelle aus der die Autorin Zeit ihres Lebens schöpfen konnte. "Das Kind in ihr hat sie niemals verlassen", ist die Regisseurin Pernille Fischer Christensen überzeugt.

Doch nicht diese glücklichen Kindertage, sondern die Post-Bullerbü Jahre beleuchtet der Film, die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens zwischen 16 und 21. Im karierten Kleid sieht man die bezopfte Pubertierende in der Kirche das Lachen unterdrücken. In der Tanzschule langweilt sie sich und beginnt, weil sie nicht aufgefordert wird, alleine Charleston zu tanzen und immer wieder muss sie ganz laut schreien, um Glück oder Frust loszuwerden.

Die Rebellin

Als sie sich die langen Zöpfe schneiden lässt und als erstes Mädchen in der kleinen Stadt Vimmerby kurze Haare hat, kommt das einem Skandal gleich. Doch Astrid vermag noch mehr zu schockieren, als sie nämlich der christlich-konservativen Familie mitteilt, dass sie schwanger ist. Sie ist 18 Jahre alt, unverheiratet, der Kindesvater ihr Arbeitgeber, der Herausgeber der örtlichen Tageszeitung und Vater ihrer Freundin Berta. Außerdem schlägt er sich mit einem komplizierten Scheidungsverfahren herum, das die Nachricht von Astrids Schwangerschaft zu seinen Ungunsten befeuern könnte. Also bleibt nur ein Ausweg: weg.

Harte Jahre in Stockholm

In Stockholm macht sie ihre Ausbildung zur Sekretärin, ihren Sohn Lasse bringt sie heimlich in Dänemark auf die Welt und lässt ihn in der liebevollen Obhut einer Pflegemutter, dargestellt von Trine Dyrholm, mit der Pernille Fischer Christenson regelmäßig zusammenarbeitet.

Drei Jahre lang dauert es, bis Astrid ihren Sohn zu sich holen kann. Die Beziehung zum Geliebten zerbricht und der Traum von der kleinen Familie ebenfalls. In der beengten Wohnung in Stockholm, müssen sich Sohn und Mutter erst langsam aneinander gewöhnen.

Alba August als Astrid

Mit der 25-jährigen Alba August in der Titelrolle, der Tochter des oscarprämierten dänischen Regisseurs Bille August, hat Fischer Christensen einen seltenen Glückstreffer gelandet. Sie vereine, so die Regisseurin, alle Eigenschaften, die es für die Darstellung der Astrid Lindgren brauche - das Kindliche, das Phantasievolle, das Rebellische. Außerdem sei sie eine wirklich harte Arbeiterin und habe sich in stundenlanger Recherche die Mimik, Gestik und Sprechweise der Astrid Lindgren angeeignet.

Leise, emotional und pathosfrei erzählt Fischer Christensen die Geschichte einer Reifung, und zeigt den Nährboden auf dem Astrid Lindgrens humanitäres Engagement für die Schwachen der Gesellschaft gediehen ist, aber auch wo die dunklen, schwermütigen Nuancen ihrer Bücher ihren Ursprung haben. "Ohne meine Geschichte mit Lasse", so bekannte Astrid Lindgren einmal rückblickend, "wäre ich wohl auch eine Schriftstellerin geworden, aber niemals eine gute."

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