Ein Hafen in Pakistan, der Teil der neuen Seidenstraße wird

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Radiokolleg

Das chinesische Projekt "Neue Seidenstraße"

Es ist eine beispiellose Expansion, die große Umwälzungen nach sich ziehen wird. Von einer verstörenden Expansion sprechen manche, China verkauft seine wirtschaftlichen Unternehmungen lieber blumig, in Anlehnung an die historische Seidenstraße, die bis zum 13. Jahrhundert Bedeutung hatte, als Neue Seidenstraße.

Allein in Pakistan entstehen derzeit der weltweit größte Solarpark, ein Kohlekraftwerk, ein Wasserkraftwerk und vier Atomkraftwerke - bezahlt mit chinesischen Krediten. Auch in anderen Ländern Zentralasiens investiert China.

Eine hochfrequente Bahnverbindung von Chengdu in China nach Wien und Duisburg wird errichtet. Man rechnet mit 17.000 neuen Arbeitsplätzen allein in der Slowakei für die Errichtung der Strecke ab Košice westwärts. Und voraussichtlich in Wien soll dafür ein zusätzlicher eigener Güterbahnhof gebaut werden. Von einem der größten Projekte in der Geschichte der Menschheit spricht man derzeit in der Wirtschaftskammer.

Mehr als nur Verkehrsverbindung

Im Mai 2017 hat Chinas Präsident, Xi Jinping, die Vertreter/innen von nicht weniger als 100 Staaten zu sich geladen. Das Projekt Neue Seidenstraße wurde dabei mit Pomp präsentiert. Es umfasst den Ausbau neuer Eisenbahnlinien, Straßen und Seeverbindungen von China nach Europa und Afrika, außerdem die Errichtung von Kraftwerken und Infrastruktur, die Implementierung von Logistiksoftware, kulturellen Export und Forschungszusammenarbeit. Dafür will China mehr als eine Billion Dollar in rund 65 Ländern investieren.

Die blumige Bezeichnung des Projekts geht zurück auf die historische chinesische Seidenstraße, ein Netz aus Handelswegen von China nach Europa, das bis ins 13. Jahrhundert Bedeutung hatte. Von den ungeahnten Möglichkeiten des Projekts Neue Seidenstraße sprechen die einen, von den Gefahren die anderen.

Der chinesische Ökonom Ho-Fung Hung von der Johns Hopkins University in den USA weist auf die hohe Inlandsverschuldung Chinas hin. China möchte seine Exporte ankurbeln, um seine Wirtschaft zu retten. Daher lockt man mit Krediten für Riesenbauvorhaben im Ausland.

Erste Absagen

Aus Südostasien kommen in jüngster Zeit allerdings Absagen: Sri Lanka kann die Kredite für den von China errichteten Hafen Hambantota nicht mehr zahlen. China übernimmt den strategisch wichtigen Hafen daher für 99 Jahre. Erste Proteste kommen schon aus Indien, das hier eine Strategie Chinas zur Vorherrschaft vermutet. Malaysia kippte den Vertrag mit China im vergangenen August. Und Australien warf im September die chinesische Firma Huawei kurzerhand raus – unter Spionagevorwurf. Werden Spionage, Überwachung und das chinesische Punktesystem für Wohlverhalten des Staatsbürgers zum Exportgut? Beziehungsweise: Was ist wirklich dran?

Westliche Demokratie in Gefahr?

In Europa warnt man ausdrücklich: Das Modell westlicher Demokratie sei in Gefahr, sagt der Analyst des EU-China-Thinktanks MERICS Jan Weidenfeld. Erste Erfahrungen nach der 67-Prozent-Verpachtung des Hafens Piräus an China gehen bereits in diese Richtung: Im UNO Menschenrechtsbeirat hat die EU erstmals nicht mit einer Stimme gesprochen, weil Griechenland China nicht kritisieren wollte.

London ist der westliche Endpunkt der geplanten Neuen Seidenstraße. Dort werden massive Aufkäufe durch chinesische Investoren beobachtet. Was kann nach einem Brexit passieren? Droht ein Finanzzentrum nach dem Modell Hongkong vor den Toren der EU? Werden der EU damit Steuergelder entzogen?

Seriöse Machbarkeitsstudien fehlen für viele der Projekte. Und wie Demokratie, Privatsphäre und geistiges Eigentum geschützt werden, ist noch nicht geklärt. Fragen zum Verhältnis von Staat und Wirtschaft werden im Zug der Annäherung an das völlig andere System China vermutlich neu gestellt werden müssen. Ebenso die Frage danach, wie gemeinsames internationales Wirtschaften unter Achtung der Menschenrechte aussehen müsste.

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