Fensterputzer am Shanghai World Financial Center (links), Jin Mao Tower (rechts)

APA/AFP/JOHANNES EISELE

Sachbuch

Die Stadt als Goldesel

"Operation Goldesel - Texte über Architektur und Stadt" heißt ein Buch, das einzelne Gebäude ebenso verhandelt wie Themen der Stadtplanung. Autor ist der Architekturkritiker Christian Kühn - im Hauptberuf Studiendekan für Architektur an der TU Wien und 2014 war Kühn Kommissär für den Österreich-Beitrag bei der Architekturbiennale in Venedig. Sämtliche Texte wurden seit 2008 im "Spectrum" der Tageszeitung "Die Presse" publiziert.

Mittagsjournal | 08 01 2019

Sabine Oppolzer

Diese Texte haben griffige Titel wie "Karneval der Alphatiere", wenn es etwa um die schräge Architektur des WU Campus in Wien geht oder provokante Untertitel wie "Wieso sieht das neue Musiktheater der Wiener Sängerknaben von außen aus wie ein Schiffsunglück?". Der Titel des Buches "Operation Goldesel" bezieht sich auf das Spekultantentum, das Immobilien nicht in erster Linie für Menschen errichtet, sondern zu dem Zweck, die eigene Rendite zu steigern.

Kulturjournal | 08 01 2019 | Christian Kühn im Gespräch

Sabine Oppolzer

"Operation Goldesel" - Texte über Architektur und Stadt von Christian Kühn ist im Birkhäuser Verlag erschienen.

Profitmaximierung zum Gebot

Überall auf der Welt zwischen Dubai und Toronto entstehe daher ein und derselbe Typus von Hochhaus - er sehe deshalb überall gleich aus, weil das Interesse dasselbe sei: die maximale Profitsteigerung. Christian Kühn betont, die Arbeit von Investoren könne einer Stadt dienlich sein, nicht aber das Spekulantentum, das allein die maximale Profitsteigerung im Auge hätte.

Dieses Phänomen gäbe es auch in Wien oder Salzburg. Was das Hochhaus am Heumarkt in Wien anbelange, würde er sagen, dass es sich bei den Projektbetreibern nicht um Investoren, sondern um Spekulanten handle. Dass müsse sich eine Stadt nicht gefallen lassen, es gäbe wirksame Instrumentarien dagegen vorzugehen, sagt Christian Kühn.

Strahlkraft österreichischer Schulbauten

Das Gemeinwohl ist in den Mittelpunkt zu stellen und nicht private Interessen, so steht es auch im Baukulturreport, der im Vorjahr zum dritten Mal erschienen ist, publiziert vom Beirat für Baukultur, dessen Vorsitzender Christian Kühn ist. Dieser Beirat versteht sich als Dialogforum von Architektur und Bauwesen sowie Politik und Verwaltung. Er berät seit 2008 die Ministerien u.a. in Angelegenheit des Wohn- oder Schulbaus.

Was den Schulbau anbelangt, ist Kühn mit den jüngsten Entwicklungen sehr zufrieden. Er sagt, in den letzten zehn Jahren seien zwischen Vorarlberg und Wien Schulen entstanden, die internationale Ausstrahlungskraft besäßen. Eine sehr innovative Grundhaltung habe sich auch in den Bauämtern durchgesetzt - denn es gehören nicht nur gute Architekten zu einem gelungenen Bauprojekt, sondern auch aufgeschlossene Bauherren. In aller Bescheidenheit fügt Kühn an: Ein guter Schulbau könne natürlich auch nicht alle Schulprobleme lösen, aber deren Lösung vielleicht erleichtern.

Je länger ein Gebäude steht, desto ökologischer ist es

Immer wieder werden in der Textsammlung auch ökologischen Aspekte thematisiert. Aus dieser Perspektive sollte man den Anspruch stellen, dass Gebäude 50 oder 100 Jahre von ihren Bewohnern oder Passanten geliebt werden - das sei der beste Weg zur Nachhaltigkeit. Denn wenn ein Haus alle 20 Jahre abgerissen werden muss, weil es technisch oder ästhetisch oder im Städtebau nicht mehr passt, dann sei das alles andere als ökologisch.

"Trend zur guten Absicht"

Auf die Frage, ob er einen aktuellen Trend erkennen könne, nennt Christian Kühn einen "Trend zur guten Absicht", der allerdings die architektonische Qualität vernachlässige. Des Weiteren geht es in dieser Sammlung von Texten um den Sinn und Unsinn von Architekturwettbewerben, ums Generationenwohnen oder um Wien und seinen bedrohten Status als UNESCO-Weltkulturerbe.

Service

Christian Kühn, "Operation Goldesel - Texte über Architektur und Stadt 2008-2018", Birkhäuser

Gestaltung

Übersicht