Elke Tschaikner und Christian Scheib

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Le week-end

König Arthur

Als Henry Tudor im Jahr 1585 von Wales kommend in einer berühmten Schlacht den englischen König Richard III besiegt, um anschließend selbst englischer König zu werden, hatte er dringende Legitimationsbedürfnisse.

Da kommt es ihm gerade recht, dass in ebendiesem Jahr das Buch "Le Morte d’Arthur" eines gewissen Thomas Mallory erscheint, eine - aus heutiger Sicht - krude Geschichte der Könige Brittaniens, die - mit König Arthus als Zentralfigur - deren keltisch-walisisches Erbe bis nach Rom und Troja zurückverfolgt. Klar ist, dass sich die Sage von König Artus über Jahrhunderte hinweg immer wieder ganz vorzüglich politisch instrumentalisieren ließ. Und nicht zuletzt deswegen nie an Beliebtheit verlor. Die Suche nach dem starken Mann, welch immerwährender Topos. Aber Thomas Mallorys Buch kam nicht aus dem Nichts. Ganz im Gegenteil. Es hat eine tausendjährige Vorgeschichte.

Seitdem es die Geschichten um einen König Arthur gibt, gibt es auch die Frage danach, ob es ihn, oder vorsichtiger ausgedrückt, wen es da wirklich gegeben haben könnte. Eines scheint klar: Alle Hinweise führen in jene Jahrzehnte beziehungsweise Jahrhunderte nach dem Abzug der römischen Truppen aus Großbritannien im 5. Jahrhundert nach Christus.

Sehr schnell geriet die Insel ins Visier umliegender Völkerschaften, die später hauptsächlich als Angelsachsen bezeichnet wurden. Sie kamen übers Meer und die im Zuge von 400 Besatzungsjahren latinisierte britische Bevölkerung wehrte sich verzweifelt gegen die anrückenden Barbaren. Letztlich erfolglos, aber selbstverständlich ist das eine Zeit, die ihre, wenn auch oft traurigen Helden gebiert.

Aber hier, in dieser kriegerischen, postantiken Welt kommt "Artus" ins Bild, wenn auch auf äußerst unscharfe Weise. In einem alten, walisischen Langgedicht, das von einer dieser verlorenen Schlachten aus der Zeit um 600 erzählt, taucht zum ersten Mal in einem erhaltenen, schriftlichen Dokument der Name "Artus" auf. Aber sehr indirekt: Ein gewisser Gwarwdur sei ein großer Kämpfer gewesen, heißt es da, fast so gut wie ein gewisser Arthur, im Original: "but he was no Arthur". Wirklich weiter hilft das bei der Spurensuche nicht, aber im 9. Jahrhundert schreibt dann ein walisischer Mönch eine "Historia Brittonum" und hier wird zwar kein König, aber ein Heerführer Artus genannt. Im nachhinein betrachtet kann man sagen: Damit war das Spiel eröffnet.

Um jetzt nur die allerwesentlichsten Stationen zu nennen: Um 1130 verfasst Geoffrey von Monmouth die "Historia Regum Britanniae". Er fügt wie in einem gigantischen, historischen Puzzlespiel alles literarisch zusammen, was ihm damals zum Thema erreichbar ist: lateinische Quellen, lokale Überlieferungen, Schlachtenschilderungen und viele Elemente aus dem keltisch-walisischen Erzählerbe. Vor allem aber spielt plötzlich ein inzwischen zum König gewordener Arthur eine entscheidende Rolle.

Die Erfindung des Schwertes Excaliur und des Magiers Merlin gehen auf Monmouths Kappe. Sein ambitioniertes Projekt gelingt, seine Schrift wird zu einem europäischen Besteller. Ein gewisser "Wace" übersetzt dann diese Geschichte der englischen Könige um 1155 ins Französische, nicht ohne auch etwas Entscheidendes zu erfinden: nämlich den "round table", la table ronde, also die Tafelrunde.

Aber die Geschichte geht weiter: In Frankreich stößt der Schriftsteller Chretien de Troyes auf diese Vorlage, dichtet poetisch weiter und fügt das Romantische hinzu, die suchenden Ritter Gawain und Lancelot, auch dessen Liebesgeschichte mit Königin Guinevere. Und zur höheren Ehre nicht nur der Minne, sondern auch der christlichen Ewigkeit flicht er auch noch die Suche nach dem Heiligen Gral ein.

Das Feld ist bereitet, als der erwähnte Thomas Mallory im 15. Jahrhundert auftaucht - man ist schon wieder auf der Suche nach einem starken Mann, diesmal war es eben der aus Wales ansegelnde Henry Tudor, der dann auch König werden sollte. Dieser schriftstellerisch begabte Thomas Mallory war wohl mehr Gangster als Ritter, jedenfalls wurde er 1450 wegen Mordes, Raubes, Diebstahls sowie wegen Wilderei und Vergewaltigung angeklagt und auch verurteilt. Er saß zehn Jahre im Tower in London im Gefängnis und hatte plötzlich Zeit zu schreiben. Warum kommt einem diese Geschichte aus kommenden Jahrhunderten wohl so bekannt vor. Jedenfalls erscheint Mallorys Zusammenfassung von allem bis dahin über Arthur Geschriebenen letztendlich als "Le Morte d’Arthur" und ist seither die Grundlage dieses sagenhaften Sagen- und Geschichtenkomplexes.

Gestaltung

  • Christian Scheib