Sebastian Pass als Kaua, Peter Fasching als Michael und Luka Vlatkovic als Alan

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Theater

"Rojava" - Das gelobte Land

Ibrahim Amirs neues Stück am Wiener Volkstheater beleuchtet eine gelebte Utopie.

Das umkämpfte kurdische Autonomiegebiet "Rojava" im Norden Syriens ist Schauplatz und Titel eines neuen Theaterstückes, das morgen im Wiener Volkstheater uraufgeführt wird. Geschrieben hat es Ibrahim Amir: Der aus Syrien stammende und schon seit 2002 in Wien lebende kurdische Autor (Jahrgang 1984) sorgt mit seinen Stücken immer wieder für Aufsehen. Seine Ehrenmord-Komödie "Habe die Ehre" wurde er vor sechs Jahren mit dem Nestroypreis ausgezeichnet, die Absage seines Stückes "Homolal" am Volkstheater sorgte vor drei Jahren für großes mediales Getöse.

"Das klingt wie eine Utopie"

Mitten im Chaos des syrischen Bürgerkrieges erstreckt sich im Norden des Landes seit rund fünf Jahren eine Bastion der Demokratie - die demokratische Föderation Nordsyrien - kurdisch: Rojava. Vorzeigemodell in Sachen Einhaltung der Menschenrechte, Gleichberechtigung der Frauen, Religionsfreiheit und friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien.

Kurden, Araber, Turkmenen, Armenier und Tschetschenen leben friedlich miteinander

"Das klingt wie eine Utopie", sagt der Autor Ibrahim Amir über das Gebiet in dem rund vier Millionen Kurden, Araber, Turkmenen, Armenier und Tschetschenen auf Basis eines Gesellschaftsvertrages friedlich miteinander leben, bedroht von der Türkei im Norden, vom IS im Süden und demnächst (nach dem von Trump angekündigten Truppenabzug) allein gelassen von den USA. Man sei umgeben von Diktaturen und Autokraten, Terror und Diktaturen.

Gerade weil Rojava im Krieg gegen den IS so stark gewesen sei, hätte man es auch international wahrgenommen und gerade die Unmöglichkeit der dort verwirklichten Utopie habe eine gewisse Anziehungskraft. Freilich die Utopie ist noch nicht restlos verwirklicht und es gibt in der jungen Demokratie auch noch einige Schwachstellen, willkürliche Festnahmen von politischen Gegnern und auch Menschenrechtsverletzungen.

Isabella Knöll als Hevin und Peter Fasching als Michael

Isabella Knöll als Hevin und Peter Fasching als Michael

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Ein Österreicher in Rojava

Auf den jungen Wiener Michael übt Rojava auf jeden Fall eine große Faszination aus. Er solle lieber ein Erasmus-Stipendium in den USA machen, rät ihm seine Mutter Ursula, die in der Josefstadt wohnt, er solle sich lieber um die Missstände bei sich zu Hause kümmern, lästern die Kampfgenossen, die ihn zuerst einmal belächeln, denn Michael zieht zwar voller Ideale und Hoffnungen, aber auch reichlich naiv und ahnungslos in den Kampf.

In die Kämpferin Hevin, die ihm das Schießen beibringt verliebt er sich, doch das hat keine Zukunft. Denn Hevin denkt die Liebe konsequent weiter und kommt zu dem Entschluss, sie könne nicht für die Gleichberechtigung der Frauen ins Feld ziehen, um dann erst wieder als Hausfrau und Mutter hinter dem Herd zu landen. In Syrien trifft Michael auch auf Alan, der seinen Idealismus in vielen Jahren Krieg eingebüßt hat und einfach nur weg will aus Rojava. Mithilfe des Passes von Michael gelingt ihm die Flucht nach Wien, und auch das - so viel sei verraten geht nicht gut aus.

Humor als Schluckhilfe

Regisseur Sandy Lopicic - als Balkanmusiker bekannt und als Bühnenmusiker hocherfahren, schätzt das archaische an Ibrahim Amirs Geschichte und unterstreicht - unterstützt von fünf Musikerinnen und Musikern auf der Bühne - nicht nur deren politischen, sondern höchst menschlichen Aspekt. Mit der Musik als gleichwertigen Partner, sollen Gefühle angesprochen werden, und Bilder im Kopf entstehen, die der Text allein nicht erzeugen könne.

Wie schon in "Habe die Ehre" (Nestroypreis 2013), "Heimwärts" oder "Homohalal" ist auch "Rojava" gespickt mit satirischen Momenten, Zynismus und schwarzem Humor - eine Spezialität von Ibrahim Amir und eine Art Schluckhilfe für schwere Kost. Von Syrien als Thema kommt er nicht los, obwohl er seit 16 Jahren in Wien lebt und hier als Mediziner arbeitet (das Theaterwissenschaftsstudium in Aleppo musste er aus politischen Gründen abbrechen), das hat wohl auch damit zu tun, dass seine Familie nach wie vor in Syrien lebt.

Fenster nach Rojava

Mit seinen Stücken möchte Ibrahim Amir den Menschen hier ein Fenster in seine ehemalige Heimat und die Geschehnisse dort öffnen. Dieses Fenster nach Rojava wird morgen Abend mit der Uraufführung im Wiener Volkstheater aufgestoßen und ermöglicht einen Ausblick auf eine der spannendsten Regionen des aktuellen Weltgeschehens.

Gestaltung