Tunnelbohrungen

APA/DPA/SEBASTIAN GOLLNOW

EU-Urheberrechtsreform

Die Kunst, es allen Copy-right zu machen

Die Reform des europäischen Urheberrechts lässt die Wogen hoch gehen. Bringt die neue Copyright-Richtlinie jetzt endlich Gerechtigkeit im Netz oder läutet sie das Ende des freien Internets ein?

Journalisten, Musikerinnen und Fotografen - sie alle haben das Recht, bezahlt zu werden, wenn ihre Werke verwendet werden. Passiert das aber im Internet, schauen die Urheber nur allzu oft durch die Finger. Ein europäisches Reformvorhaben will das Urheberrecht daher an das digitale Zeitalter anpassen. Geistiges Eigentum soll im Web besser geschützt werden. Onlineplattformen wie YouTube sollen Kunst- und Medienschaffende fair vergüten, wenn ihre Inhalte im Netz verwertet werden.

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Fertiger Vorschlag bleibt umstritten

Über die Reform wird seit mehr als zwei Jahren diskutiert, nun liegt ein gemeinsamer Vorschlag von Rat, Kommission und Parlament auf dem Tisch, über den spätestens im April im Parlament abgestimmt werden soll. Doch der Vorschlag bleibt umstritten.

In der Netzgemeinde sorgt besonders Artikel 13 des Richtlinien-Entwurfs für Aufregung. Der sieht vor, dass Plattformen für die bei ihnen hochgeladenen Inhalte haftbar gemacht werden. Bisher mussten sie Inhalte nur löschen, wenn sie darauf hingewiesen wurden, dass Rechte verletzt wurden.

Gelten soll die neue Regelung für alle Plattformen, die älter als drei Jahre sind, mehr als fünf Millionen Nutzer im Monat haben und mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften.

Maustelle, Vogelperspektive

AP/STRINGER

Die Angst vor den Upload-Filtern

Weil die Plattformen nun haftbar gemacht werden sollen, werden sie in Zukunft schon vorab sicherstellen müssen, dass die Rechte geklärt sind - noch bevor die Inhalte überhaupt online sind. Das soll mit Upload-Filtern passieren - also Computer-Programmen, die hochgeladene Videos, Fotos und Texte automatisch auf Urheberrechtsverletzungen prüfen. Der finale Gesetzesvorschlag schreibt Filter zwar gar nicht vor, denn wer Lizenzen habe, brauche keine Filter, heißt es. Kritiker glauben aber dennoch, dass es nicht ohne eine solche Vorrichtung gehen wird. Allein wegen der schieren Datenmenge: Auf YouTube werden immerhin pro Minute 400 Stunden Videomaterial hochgeladen.

Netzaktivisten gegen "Zensurmaschine"

Die Upload-Filter sind Bloggern und Netzaktivisten ein Dorn im Auge. Sie fürchten, dass solche Filter nicht immer zweifelsfrei erkennen werden, ob Inhalte Urheberrechte verletzen und daher auch legale Inhalte blockieren, die eigentlich kein Problem darstellen. Vorauseilendes "Overblocking" und eine "Zensurmaschine" wären die Folge, sagt etwa der Rechtsexperte Bernhard Hayden von der Grundrechte-Plattform Epicenter Works. Upload-Filter würden so über die Meinungsfreiheit von Millionen von Menschen entschieden. Die "digitale Volkskultur" von Memes bis zu lustigen Parodien könnte zugrunde gehen, glaubt der Wirtschaftswissenschafter und Digitalexperte Leonhard Dobusch.

Hayden und Dobusch warnen auch vor einem anderen Problem. Nur ganz wenige Anbieter könnten sich die Entwicklung solcher komplexer Filter leisten, die großen Plattformen von Google und Co würden daher in ihrer Marktmacht gefestigt werden.



Auch Internet-Riesen gegen Reform

Dennoch sind auch die großen Internetkonzerne gegen die Reform, immerhin bedeuten die geplanten Neuerungen mehr Arbeit und potenziell weniger Inhalte, also weniger Nutzer und Einnahmen. Entsprechend scharf wurde von allen Seiten gegen die Reform mobilisiert. Auf YouTube verbreiten sich Videos, die gar das Ende der Plattform nahen sehen, rasant schnell. Einer der bekanntesten YouTube-Stars Deutschland, der Berliner LeFloid, warnt vor dem "Merkel-Filter" - denn Gegner machen den EU-Verhandlungsführer und CDU-Abgeordneten Axel Voss für die Reform verantwortlich.

Proteste im Netz und auf der Straße

In mehreren europäischen Städten wurde gegen die Reform demonstriert. Europaweite Kampagnen wie "Save Your Internet", an der auch Epicenter Works beteiligt ist, wollen Aufmerksamkeit erregen, um EU-Abgeordneten dazu zu bewegen, gegen die Reform zu stimmen.

Der virale Sturm gegen die Reform hat auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen. In einem Blogeintrag, der mittlerweile gelöscht wurde, spricht sie von einem "Internet-Mob", der mit falschen Informationen über das Urheberrechts-Paket agitiere.

Wenige Millionen aus "Linksteuer"

Der zweite umstrittene Vorschlag der Urheberrechtsreform betrifft das Leistungsschutzrecht. Bisher können Plattformen wie Google News oder Facebook kostenfrei kleine Artikelausschnitte wie etwa die Überschrift und den ersten Absatz anzeigen. Künftig sollen sie für diese Passagen bezahlen, Ausnahmen von der Vergütung - wie bei der zahnlosen deutschen Regelung – soll es nicht geben.

Private Facebook-Nutzer, die Artikel von Medien teilen, soll diese Regel aber nicht treffen. Die Verlage, die noch kein stabiles Geschäftsmodell für ihre Produkte im Netz gefunden haben, erhoffen sich so neue Einnahmen. Um viel Geld dürfte es sich aber nicht handeln, sagt Gerald Grünberger vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) gegenüber #doublecheck. Das neue Leistungsschutzrecht sieht er als "Erlösstrom in der Zukunft, der für Medienunternehmen in der Refinanzierung wichtig sein wird". Grünberger hofft auf Summen im einstelligen Millionenbereich, die pro Jahr durch die Reform zusätzlich an die Verlage fließen könnten.

Umsetzung kann noch Jahre dauern

Noch ist das Urheberrecht nicht beschlossen. Nimmt das Parlament den Gesetzesvorschlag an, haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung in nationales Recht. Sollte die Reform scheitern, könnte der Gesetzgebungsprozess von vorne beginnen.

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