Else Federn

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Gründerin des Wiener Settlement

Else Federn

Bereits 1901 war sie Mitbegründerin des Vereins Wiener Settlement, der sich erst in Wien Brigittenau, dann im Bezirk Ottakring niederließ. Das Settlement nach englischem Vorbild war ein Kultur- und Wohlfahrtszentrum als auch eine soziale Lehrstätte für Mütter, Rentnerinnen, Kinder und Mittellose.

Die Gründerin der Ottakringer Settlement-Bewegung Else Federn wurde 1874 als Tochter eines jüdischen Arztes und einer Künstlerin in Wien geboren. Nach dem Besuch der Schule des Frauenerwerbvereins schrieb Federn selbst für die Presse der Frauenbewegung.

“Da bei uns Menschen aller Richtungen arbeiten, ergibt sich von selbst die gegenseitige Schätzung und die Schonung jeglicher Überzeugungen. Nicht selten aber werden diese Personen von ihren Parteien ganz besonders angefeindet."

Bereits 1901 war sie Mitbegründerin des Vereins Wiener Settlement, der sich erst in Brigittenau, dann im Bezirk Ottakring niederließ. Das Settlement nach englischem Vorbild war ein Kultur- und Wohlfahrtszentrum als auch eine soziale Lehrstätte für Mütter, Rentnerinnen, Kinder und Mittellose, in dem, wie die Historikerin Elisabeth Malleier schreibt, “die Mehrheit der hauptberuflichen Mitarbeiterinnen unverheiratete Frauen waren”. Der Verein war seit 1902 im “Bund österreichischer Frauenvereine” verankert, in dem Else Federn aktiv war.
Dem internationalen Settlement-Motto “gebt nicht Geld, sondern euch selbst” folgend, erhielt man im Settlement keine Wohltaten, sondern man war an der Selbstverwaltung beteiligt. Die bürgerlichen Mitarbeiterinnen lebten mit den Teilnehmerinnen gemeinsam in der Niederlassung in der Lienfeldergasse Ecker Effingergasse.
Das Wiener Settlement bot als eine der ersten Institutionen die koedukative Erziehung für Kinder, eine Mütterberatungsstelle mit ärztlicher Betreuung sowie den Verleih von Babywäsche an. Ab 1916 gab es in Zusammenarbeit mit Dr. Hans Fiala und Grete Löhr sogar das Angebot einer Jugendgerichtshilfe. Im ersten Weltkrieg wurden Näh- und Strickstuben für arbeitslose Frauen eingerichtet. Doch das Settlement hatte selbst stets mit finanzieller Not zu kämpfen und war auf private Spenden und die des Magistrats Wien angewiesen.
Im März 1938 wurde die Institution von den Nazis umgebaut bzw. schlussendlich zerschlagen. Jüdische Mitarbeiterinnen durften die Kinder nicht mehr direkt erziehen, die Sportgruppen wurden durch die Gruppen der SS ersetzt und Frauenabende musste nach der Ordnung der NS-Frauenschaft der Ostmark abgehalten werden. Else Federn emigrierte 1938 nach England, wo sie noch bis 1946 in einem Settlement in Bristol lebte.
Das Wiener Settlement wurde direkt nach dem Krieg 1945 unter anderem von Marianne Pokorny und Maria Lederer wieder aufgebaut. In den 1960ern stand das Settlement in enger Zusammenarbeit mit der “Lebenshilfe”. Seit den 1970ern lag der Schwerpunkt auf Hilfe und Unterstützung von MigrantInnen. 2003 wurde die letzte Einrichtung, ein Kindergarten, des Wiener Settlements geschlossen.

“Zur Gemeinschaft der Menschen führen, das Trennende zurückstellen, das Verbindende pflegen, das Zugängliche zum geistigen Eigentum machen und so seine Wirkung vervielfachen, das ist unser Bestreben.”

“Wir wären an öffentlicher Stelle wahrscheinlich unbequeme Mitarbeiter, denn wir sehen das Notwendige vom Standpunkt der benachteiligten Gesellschaftskreise. Und immer lag uns ferne, uns von der Tagespolitik beeinflussen zu lassen, ebenso von allem politischen, nationalen und konfessionellen Kampf um die Macht.”
IN: Die Frau, 1936.

“Ein Freund meinte, dass jetzt die Idee des Settlements überholt sei, da ja die Arbeiterschaft die Macht aus eigener Kraft erobert hätte und die bürgerliche Kultur doch nicht erstrebenswert wäre. Mir aber wurde in diesem Augenblick klar, dass das Settlement an exponierter Stelle stehe, dass es eine der wenigen noch bestehenden Schöpfungen des hochkultivierten freisinnigen Bürgertums sei und dass ihm daher die Aufgabe zufalle, diese Kulturwerte den neuaufstrebenden Kreisen zu übermitteln: denn die Evolution ist größer als Revolution.”

„Von Früh bis zum späten Abend sind jetzt die Stunden mit heiterem Spiel und ernstem Thun ausgefüllt, und die teilnehmenden Arbeiterfamilien habe sich an das Settlement gewöhnt., sie sind heute nicht geladene Gäste, sie fühlen sich dort wozu Hause, oft mehr als in ihre eigenen elenden Wohnungen.“

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