Gustav Danzinger

ORF

Gustav Danzinger

Wie meine Choraffinität begann

Nein, ich war nicht bei den Wiener Sängerknaben. Meine Choraffinität begann erst mit elf Jahren, als ich in den Chor meines Gymnasiums eintrat. Aber schnell begann ich, Feuer zu fangen - und seither lodert es unentwegt. Als Chorsänger, erst im Alt, dann im Bass, dann im Tenor, doch bald und sehr lang als Chorleiter.

Was liegt nun, am Ende meiner langen Tätigkeit im ORF, näher, als dieser Leidenschaft eine ausgiebige Fermate zu setzen? Schon vor meinem Wechsel in die Musikabteilung von Ö1 konnte ich in meinen ersten 13 Jahren als Musikchef im Landesstudio Niederösterreich breit für die Amateurchorszene eintreten; ein ganz großer Triumph war da gleich der Sieg des seinerzeitigen Kammerchores Hollabrunn, danach Concentus Vocalis, unter Herbert Böck beim EBU-Chorwettbewerb "Let the Peoples Sing" 1987.

Unzählige Produktionsaufnahmen und eine große Zahl von CDs, die beim ORF-Label erschienen, folgten. Damit natürlich auch der Kontakt zu so gut wie allen Chorleiter/innen, die an der Spitze der Hochqualitätschöre stehen, deren es in unserem Lande zum Glück etliche gibt. Gerade diese sind es auch, die Chormusik nicht nur als einen riesigen Schatz aus sieben Jahrhunderten betrachten, sondern sich immer wieder Neuem zuwenden, nicht selten auch durch ihre Anregungen und Impulse neue Chormusik entstehen lassen.

Sieben Chorleiter zu Gast

Sieben Stunden hat die traditionsreiche "Lange Nacht" in Ö1, und so habe ich sieben der besten, profiliertesten Chorleiter Österreichs, mit denen gemeinsam ich viele Aufnahmen, CDs und andere Projekte betreuen durfte, eingeladen. Sie werden mit mir jeweils eine Stunde dieser "Langen Nacht der Österreichischen Chormusik" gestalten; Chorleiter, die sich auch intensiv der neuen österreichischen Chormusik zugetan fühlen - es sind dies:

Erwin Ortner (Arnold Schoenberg Chor und ORF-Chor), Johannes Prinz (Wiener Kammerchor, Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und Studiochor Graz), Otto Kargl (cappella nova graz und Domkantorei St. Pölten), Alois Glaßner (Hugo Distler Chor Wien und Salzburger Bachchor), Michael Grohotolsky (Wiener Kammerchor und Chorus Viennensis), Heinz Ferlesch (Chor Ad Libitum und Wiener Singakademie) und Johannes Hiemetsberger (Chorus sine nomine und Company of Music).

Vielfalt und Qualität

Die Chorlandschaft Österreichs, wie ich sie in meiner Jugend kennengelernt habe, war aus heutiger Sicht ein wenig schwachbrüstig, mittlerweile ist sie aufgeblüht zu großartiger Vielfalt und Qualität! Das kann jeder Hörer, jede Hörerin überprüfen: Wer sich zum Beispiel vor 30 oder 40 Jahren entstandene Tonträger mit dem Wiener Singverein anhört, wird es kaum für möglich halten, dass das derselbe Chor wie der heutige ist. Alle diese großartigen Chöre von heute widmen sich dem großen Schatz der tradierten Chormusik und trachten ebenso nach Neuem.

So werden wir in dieser Langen Nacht vom 26. auf den 27. April von 23 bis sechs Uhr in der Früh in Ö1 viel neue Chormusik aus unserer Heimat hören - von den Vätern der Neuen Musik, Anton Heiller und Johann Nepomuk David, bis zu den jüngsten Sprossen. Wir wollen auch von den kompetenten Chorleitern erfahren, wie sie die Situation der Chorszene im kulturellen Ganzen einschätzen, ob sie ein Nischendasein fristet oder ob eine tatendurstige Aufbruchsstimmung verortet wird.

Wir werden hören, wie die Interaktion zwischen Komponist/innen und Chören funktioniert, welche Möglichkeiten genutzt werden und welche noch zukünftig offenstehen. Und wir werden sieben Stunden lang viel Begeisterung und Liebe verspüren und schöpfen können; Liebe zum schönsten und persönlichsten Instrument, das es gibt: zur menschlichen Stimme!

Gestaltung