Zeichnung Hanno Millesi

HANNO MILLESI

Ö1 Kunstgeschichten

"Sightseeing" von Hanno Millesi

Was sieht man, wenn man ein Objekt betrachtet? Hanno Millesi studierte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. In seinen Büchern, zuletzt im Roman "Die vier Weltteile", spielen Präsentations- und Wahrnehmungsformen von Kunstobjekten immer wieder eine große Rolle. So auch in seiner Erzählung "Sightseeing", die er für die Ö1 "Kunstgeschichten" schrieb. In einer Kunstwelt, die von Kriegsobjekten dominiert wird, bleibt auch eine Liebesgeschichte, die sich zwischen zwei Menschen entspinnen könnte, symbolisch und abstrakt. Redaktion: Edith-Ulla Gasser.

"Sieht aus wie ein in geistiger Umnachtung abgelegtes Gelübde." Ihr Blick ist auf das Haus des Meeres gerichtet, einen aus dem Zweiten Weltkrieg übriggebliebenen Gefechtsturm, der gegen Angriffe aus der Luft konstruiert wurde, mittlerweile jedoch ein Aquarium beherbergt.

"Zahlt es sich aus, da hineinzuschauen?" Darauf weiß ich keine Antwort. Ich bin nie auf die Idee gekommen, das Haus des Meeres zu betreten. Seit meiner Kindheit habe ich mich mit der Vorstellung begnügt, dass sich etwas so Zauberhaftes wie die Unterwasserwelt in einem derart rohen Klotz befindet. Statt auf ihre Frage einzugehen, erzähle ich ihr, dass mit der Demontage dieses massiven Bauwerks Risiken für die umliegenden Häuser verbunden gewesen wären, worauf angeblich die Übereinkunft zurückgehe, seine äußere Erscheinung künftig als Denkmal zu betrachten. "Eine Abschreckung vor sich selbst durch sich selbst sozusagen", bemerkt sie geistreich.

"Turm" (Flakturm), Zeichnung Hanno Millesi, 2018

HANNO MILLESI

"Turm" (Flakturm), Zeichnung Hanno Millesi, 2018

"Wusstest du, dass man Türme wie diesen zur Zeit ihrer Erbauung als Stadtmauer des 20. Jahrhunderts bezeichnete?" Meine Frage weckt offenbar ihre Neugier, also fahre ich fort: "Man errichtete sie paarweise. Die Besatzung des einen Turms hatte die Aufgabe, ein Ziel auszumachen, während der andere einem Geschütz als Basis diente."

"Befinden sich in dem Turm, der zu diesem hier gehört, ebenfalls Tiere?" Da ich mir nicht sicher bin, ob der zweite Turm nicht nach wie vor militärisch genutzt wird, ziehe ich es vor, sie mit dem Hinweis zu verblüffen, dass Anlagen, wie wir hier eine vor uns haben, bereits zur Zeit ihrer Fertigstellung für ihre eigentliche Aufgabe kaum zu gebrauchen waren. "Wieso das?"

"Ihre Konstrukteure gingen von einem Leistungsvermögen der Flugzeuge aus, welches, als die Türme einsatzbereit waren, nicht mehr dem neuesten Stand der Technik entsprach. Die Piloten warfen ihre Bomben da schon aus einer Höhe ab, die für Geschütze wie jene auf diesen Türmen unerreichbar war."

"Dann ging es also von Anfang an eher um eine psychologische Wirkung."
Obwohl der Turm gar nicht auf meiner Liste mit möglichen Sehenswürdigkeiten steht, mache ich meine Begleiterin auf die verschiedenfarbigen Kletternoppen aufmerksam, die über eine seiner grimmigen Außenwände verteilt sind wie ein um gute Laune bemühter Ausschlag. Nachdem wir den Turm umrundet haben, nehmen wir unseren Weg zur Kirche wieder auf.

Hanno Millesi

Hanno Millesi (© Jens Preusse)

Der Wiener Autor, Jahrgang 1966, studierte unter anderem an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, und war als Assistent des Aktionskünstlers Hermann Nitsch und für das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien tätig. Hanno Millesi wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Reinhard-Priessnitz-Preist und dem Elias-Canetti-Stipendium, und unterrichtet am Institut für Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst.

Tags zuvor hat sie mich mit der Bitte - ist es nicht eher eine Aufforderung gewesen? - überrascht, ihr die eine oder andere Sehenswürdigkeit meiner Stadt zu zeigen, und ich gebe zu, dass mir zunächst partout nicht einfallen wollte, wo ich sie hinführen könnte. Schließlich kam mir die Idee, dass es vielleicht Spaß machen würde, ihr nicht unbedingt ein bestimmtes Bauwerk zu präsentieren, sondern seinen aktuellen Zustand. So bin ich auf die Kirche gekommen. Nicht wegen des ihr zugrundeliegenden barocken Entwurfs, sondern um meinem Gast Gelegenheit zu geben, sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass sich nicht alles in dieser Stadt zum eigenen Nachteil verändert habe.

In den der Kirche vorgelagerten Platz ist ein Becken eingelassen, aus dessen Zentrum sich das Werk eines berühmten Bildhauers erhebt. Wie weit das Wasser, das die Skulptur umgibt, zum künstlerischen Konzept gehört, oder sie ganz einfach darin platziert worden ist, weiß ich nicht. Der Anblick des Ensembles lässt meines Erachtens nach kaum Rückschlüsse darauf zu. Glücklicherweise stellt meine Begleiterin, was das betrifft, keine Fragen. Das Becken, sagt sie, erinnere sie an einen heiligen Fluss, an dem die Menschen zusammenkommen, um ihre Wäsche zu waschen, zu meditieren und ihre Kinder zu baden, während ein Konzern klammheimlich sein durch den industriellen Produktionsprozess geweihtes Abwasser hineinleitet.

Als Motiv für seine Skulptur dürfte dem Bildhauer ein in religiöser Hingabe gekrümmter Mensch vorgeschwebt sein. Vielleicht badet er auch nur, auf alle Fälle scheint er in seine Einzelteile zerlegt und, einem Wäscheklumpen vergleichbar, zusammengeknüllt worden zu sein.

Unmittelbar dahinter erhebt sich die Kirche, wegen der wir gekommen sind. Ich habe irgendwo aufgeschnappt, dass sich ihr imposantes Erscheinungsbild in einem bedenklichen Zustand befindet, und tatsächlich zeichnet sich ihre Verwahrlosung bereits an der Vorderseite in geradezu überirdischem Ausmaß ab. Als hätte jemand - Mönche oder Bühnenbildner - nachgeholfen, um dem Gebäude das Aussehen der Kultstätte einer in Vergessenheit geratenen Dschungelgottheit zu verleihen. Schlingpflanzen klettern an zwei riesigen Reliefsäulen empor. Aus den ovalen Fenstern wuchert Gestrüpp. Risse überqueren theatralisch die Fassade, überall bröckelt es, Heiligenfiguren fehlen Gliedmaßen. Das Innere stellt man sich von Affen bewohnt vor.

Angeblich haben die Verantwortlichen sämtliche Warnungen seitens des Amtes für Denkmalpflege über einen derart langen Zeitraum in den Wind geschlagen, dass mittlerweile an das Wiederherstellen des ursprünglichen Zustands nicht mehr zu denken ist.

"Kirche" (Karlskirche), Zeichnung Hanno Millesi, 2018

HANNO MILLESI

"Kirche" (Karlskirche, davor die Skulptur "Hill Arches" von Henry Moore), Zeichnung Hanno Millesi, 2018

Soweit ich verstanden habe, hat einen der örtlichen Kirchenvertreter eines Tages der segensreiche Geistesblitz ereilt, die spärlichen Mittel gar nicht erst gegen den offenbar von höherer Stelle beschlossenen Zusammenbruch seines Gotteshauses einzusetzen, sondern die Baufälligkeit dahingehend zu beeinflussen, dass Touristen angesichts der ausklappbaren Monitore an ihren Kameras ganz von allein in eine ihnen geläufige Form von Andacht verfallen. Die Mauerrisse gemahnen an göttliche Drohgebärden, über die verstümmelten Heiligenfiguren verbreiteten sich haarsträubende Gerüchte, und es ist leicht vorstellbar, dass Kinder an Sonntagen regelmäßig darum bitten, sich auf die Suche nach den Affen machen zu dürfen.

Da die Architektur der Kirche Grundzüge des christlichen und des islamischen Sakralbaus mit antiken Elementen kombiniert, kann man den Untergang der Kultur insgesamt darin angekündigt finden. Links und rechts neben dem Eingang stehen Engel mit überdimensionalen Kreuzen. Acht Adler sind auf riesigen Säulen gelandet, um die religiösen Pflichten zu symbolisieren. Der jämmerliche Zustand ihrer Vergoldung lässt eine ganze Bandbreite an Assoziationen zu, unter denen sich mangelnde Fürsorge nicht unbedingt an letzter Stelle befindet.

Während meine Begleiterin, vergnügt, als erkunde sie die verspielten Details einer Modelleisenbahn-Anlage, die Kirchenfassade nach den einzelnen Merkmalen ihrer Zerstörung absucht, habe ich den Eindruck, etwas von dem Lärm zu vernehmen, den es verursacht haben muss, dem Mauerwerk die Risse einzuschreiben.


"Alles, was ich an Informationen über deine Stadt mitgebracht habe, stammt aus einem Wikipedia-Eintrag." Eigentlich habe ich gar nicht vorgehabt, meinem Gast im Anschluss an die Kirche noch etwas zu zeigen. Von dieser Erklärung angestachelt, beschließe ich jedoch, sie durch eines der beiden Museen zu führen, die hier ganz in der Nähe von einem Denkmal der berühmtesten Kaiserin in der Geschichte dieses Landes bewacht werden.

„Kaiserinnendenkmal“, Zeichnung Hanno Millesi, 2018

HANNO MILLESI

"Kaiserinnendenkmal", Zeichnung Hanno Millesi, 2018

Auf unserem Weg zum Denkmal der Kaiserin kommen wir an einem alten Mann vorbei, der auf einem aufklappbaren Stuhl an einer Staffelei sitzt und den Eingangsbereich eines offenbar ein für alle Mal geschlossenen Geschäfts malt. Ein Fremdenführer, denke ich, würde jetzt wohl eine Unterhaltung anknüpfen. Meine Begleiterin und ich wissen hingegen auch ohne Worte, dass es sich um den ehemaligen Besitzer dieses Geschäfts handelt, der - unfreiwillig in den Ruhestand versetzt - immer wieder hierher zurückkehrt, um sich ein Bild davon zu machen, wie es mit seinem Laden weitergeht. In seiner Malerei verbindet er eine Maßnahme gegen die nicht enden wollende Freizeit mit einer Analyse von Gegenwart und Vergangenheit. Seine eigene Form, die Zeit anzuhalten, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, wie früher einmal mit Hilfe der Buchhaltung, der Umsatzbilanz, einer Inventur seines Sortiments.

Im Vorbeigehen versuche ich, einen unaufdringlichen Blick auf die Malerei zu werfen. So wenig wie möglich von oben herab und doch auch nicht wie ein Interessent, eher wie man einem Auto beim Einparken zusieht oder einem Regenschirm, der sich auf Knopfdruck aufspannt. Meine Begleiterin macht keinerlei Anstalten, das Bild zu betrachten, und ich weiß, dass das auch nicht notwendig ist, habe ich doch bereits für uns beide hingeschaut. Das Wetter verschlechtert sich.

Der Regen setzt in dem Moment ein, in dem sich eine Nebelkrähe auf der Kaiserin niedergelassen hat. Im Zentrum des Platzes thronend, streckt die Monarchin einen Arm von sich und bietet damit einen idealen Landeplatz. Auf ihrem Schoß liegen eine Schriftrolle und ein verzierter Stab - beides Insignien ihrer Herrschaft. Zu ihren Füßen sitzen vier verhältnismäßig kleine Gestalten, die - darauf weise ich meine Begleiterin hin - die Kardinaltugenden verkörpern.

"Gerechtigkeit, Kraft, Milde und Weisheit", präzisiere ich, ehe sie Gelegenheit hat, danach zu fragen. "Offenbar will sie, dass sie von ihr wegbleiben."
"Dabei sehnen sie sich danach, unter ihren Rock zu schlüpfen."
"Dort befinden sich zweifellos schon jede Menge Günstlinge und Einflüsterer."
"Für mehr von der Sorte ist ganz einfach nicht genug Platz."
"Wahrscheinlich sind sie von weit hergekommen, um sich in die Obhut ihrer Herrscherin zu begeben."
"Jetzt warten sie geduldig auf ihren Bescheid."
"Und dienen ein paar Vögeln dazu, sich über ihren Häuptern erleichtern zu können."
"Ob ihnen das Glück bringt?"
Wer was sagt, spielt in diesem Fall keine Rolle. Wir amüsieren uns unbekümmert.

Auf der Suche nach Anregungen für weitere witzige Bemerkungen stoßen wir auf dem Sockel des monumentalen Sitzbildes auf eine Reihe von Figuren und Halbfiguren, zu denen wir uns absurde Geschichten einfallen lassen. Beständige Feuchtigkeit hat der metallenen Physiognomie der Kaiserin einen grünlichen Farbton verpasst. Das warme Regenwasser sorgt dafür, dass Dunst aufsteigt, was den Eindruck erweckt, man könne dem ehemaligen Glanz der Herrscherin dabei zusehen, wie er verpufft.

Einem jungen Menschen, denke ich, dürfte ein solches Denkmal wie die Galionsfigur eines vor geraumer Zeit gestrandeten Vergnügungsdampfers vorkommen. Ich richte meinen Blick auf eine Reihe ehemals geometrisch geschorener Hecken und Büsche, um die sich schon lange niemand mehr gekümmert hat. In diesem Zustand sehen sie aus wie eine Meute verwahrloster Pudel, die daran scheitern, die paar Quadratmeter ihres Vorgartenreviers zu behaupten, während ihre Besitzerin zwischen zwei, der Natur- und der Kunstgeschichte gewidmeten Museumsgebäuden logiert.

Michael Dangl

Michael Dangl, geboren 1968 in Salzburg, steht seit seinem vierten Lebensjahr auf der Bühne. Nach verschiedenen Engagements in Deutschland ist der beliebte Schauspieler, bekannt auch aus Fernsehserien und Radioproduktionen, seit mehr als zwei Jahrzehnten Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt.

Als wir heute Morgen in eine Richtung aufgebrochen sind, die ich schon lange nicht mehr eingeschlagen habe, war mir, als verdanke ich es dem Wunsch meines Gastes, etwas von meiner Stadt vorgeführt zu bekommen, dass ich meine Wohnung durch eine Türe verlasse, die ich seit einer Ewigkeit nicht mehr benützt habe - als wäre sie die ganze Zeit über von Möbelstücken verstellt gewesen.

Am Eingang zum Kunsthistorischen Museum prangt eine Information, wonach die Schausäle aufgrund eines Beschlusses der Sicherheitsbehörden vorläufig an sämtlichen Tagen der Woche geschlossen bleiben. Mir fällt ein, dass vor nicht allzu langer Zeit ein mutmaßlicher Attentäter einen Polizeieinsatz im Foyer des Museums ausgelöst hat.

Da ich keine Lust auf den Anblick ausgestopfter Tiere habe, schlage ich vor, stattdessen das Heeresgeschichtliche Museum zu besuchen. "Was gibt es denn dort zu sehen?"
"Na ja, alle möglichen alten Waffen und so einiges über das Kriegshandwerk."

Unterwegs will meine Begleiterin schmunzelnd von mir wissen, ob die in einem Museum ausgestellten Waffen nicht geradezu darauf warten, endlich herausgeholt zu werden. Etwa, um mit ihrer Hilfe die Rückkehr der ehemaligen Zustände einzuleiten. Als ich sie daran erinnere, dass doch mit eben diesen Waffen vorbereitet wurde, was viele Menschen nach wie vor verändert haben wollen, drückt das vorübergehend ihre Stimmung.

Ihr Einfall, eine Eintrittskarte zu lösen und erst danach die Waffenschränke zu plündern - um Zeit zu gewinnen, aber auch, um uns auf redliche Art und Weise Zutritt zu einer ganz und gar absurden Vorstellung zu verschaffen –, wird dann schon wieder von einem Kichern begleitet. Das Automobil des Thronfolgers ließe sich auf Ersatzteile hin ausschlachten, um eine Beweglichkeit innerhalb der festgefahrenen Situation wiederherzustellen, oder jenes prächtige Zelt, das die tausend und eine Nacht währende Belagerung dieser Stadt überstanden hat, entwenden, um eine Familie ohne eigene Wohnung darin unterzubringen. Mit Sicherheit würde sich in einer der robusten Panzerungen, denen Jahrhunderte andauernder Krieg offenbar nicht das Geringste hat anhaben können, so manches leichter ertragen lassen.

In einem dem Rittertum gewidmeten Schausaal, frage ich mich, ob ich in dieser Besucherin meiner Stadt jemandem begegnet bin, dem das Leben eine ganz ähnliche Rüstung verpasst hat wie mir. Mag sie auch auf andere Art in die ihre geraten sein, und die, in der ich stecke, bereits an mehreren Stellen Rost angesetzt haben - entscheidend ist doch, dass wir unsere Waffen voreinander gesenkt halten. Die Tugenden zu Füßen der in dem Denkmal verewigten Herrscherin fallen mir ein. Warum habe ich nicht schon früher hier vorbeigeschaut? Wie es aussieht, benötige ich den Ansporn von jemandem, der von außerhalb kommt. Meine eigene Neugier scheint es unter die Beinkleider Ihrer Majestät geschafft zu haben.

Panzergarten

HANNO MILLESI

Während ich das Modell einer Fregatte aus dem 19. Jahrhundert betrachte, holt meine Begleiterin einen grünen, verführerisch prallen Apfel aus ihrem Rucksack und beißt herzhaft hinein. Den Bissen im Mund, will sie wissen, ob ich ebenfalls Lust auf einen Apfel habe, was ich bejahe, weil von der Art, in der sie von dem ihren abgebissen hat, etwas Optimistisches, etwas unbedingt Nachahmenswertes ausgegangen ist. Sie findet jedoch keinen zweiten und hält mir die bereits angebissene Frucht hin. Begleitet wird diese Geste von einem um Verständnis heischenden Blick, der mich wohl auffordern soll, über eine damit verbundene Verlegenheit hinwegzusehen. Ehe ich zugreifen kann - was ich zweifellos getan hätte -, tritt ein Aufseher an uns heran und weist uns darauf hin, dass das Verzehren von Speisen in den Schausälen des Museums strengstens verboten ist. Unserem Erstaunen - soweit es mich betrifft, bereichert um eine gewisse Enttäuschung - entgegnet er mit etwas sanfterer Stimme, als spreche eine zweite, eine mildere Version aus ihm, dass wir den Apfel doch im Panzergarten zu uns nehmen könnten.

Ein Blick aus dem Fenster verrät uns, was er meint. An der Rückseite des Museumsgebäudes stehen mehrere ausrangierte Panzer. An jedem ist das Geschütz geradeaus gerichtet, als hätte es das zu ihm gehörende Fahrzeug hierher gelotst.

Unten angekommen, schlendern wir zwischen den Panzern umher. Von ihren gewaltigen Ketten geht, aus der Nähe betrachtet, eine einschüchternde Wirkung aus. Erst jetzt fällt mir auf, dass unser Ausflug unter Kampfmaschinen endet, die etwa der gleichen Zeit entstammen wie der Gefechtsturm gegen Flugzeugangriffe, den meine Begleiterin zu unserer ersten Station erklärt hat. Ob ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen?

Den Apfel, den sie mittlerweile beinahe aufgegessen hat, hat sie mir kein zweites Mal angeboten. Keine Ahnung, ob das daran lag, dass sie meine Reaktion oben im Schausaal des Museums falsch gedeutet oder beim Herunterkommen schlicht darauf vergessen hat.

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