Ausschnitt des Buchcovers, Frau geht mit Regenschirm auf nasser Straße

VERLAG KLETT-COTTA

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Die Farben des Feuers

Teil zwei von Pierre Lemaitres Romantrilogie

Frankreich in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren. Eine junge Frau in Paris wird zur Erbin eines Bankenimperiums und stürzt in der Weltwirtschaftskrise tief ab. Doch sie schwört Rache zu nehmen an denen, die sie durch ein Komplott zu Fall gebracht haben. Davon handelt der zweite Roman einer Trilogie des französischen Schriftstellers Pierre Lemaitre. Soeben ist er in deutscher Fassung erschienen. Der bis dahin für Kriminalromane bekannte Autor hat für das erste Buch der Trilogie, "Wir sehen uns dort oben", 2013 den begehrten Prix Goncourt erhalten.

Eine Frau auf dem Kriegspfad

Im ersten Roman waren die Hauptfiguren zwei junge, traumatisierte Heimkehrer von der Front des Ersten Weltkriegs, die sich letztlich mit einer kolossalen Betrugsidee das Überleben im verarmten Frankreich der ersten Nachkriegsjahre sichern möchten. Einer der beiden ist der Sohn des reichen Bankiers Marcel Péricourt.

"Die Farben des Feuers" beginnt mit dem Tod des Patriarchen Péricourt und dem Selbstmordversuch seines Enkelsohns, als dessen Folge dieser sein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt bleiben wird. Im Mittelpunkt steht allerdings Marcels Tochter Madelaine, die plötzlich zur Erbin des Bankhauses wird. Madeleine Péricourt ist eine der wenigen Personen, die bereits in "Wir sehen uns dort oben", dem ersten Buch der Romantrilogie von Pierre Lemaitre, vorkommt. Für den Autor war es günstig, an dieser Figur anzuknüpfen.

"Eine perfekte Situation für den Autor"

Pierre Lemaitre

Gustave Joubert, der Prokurist der Bank, ihr Onkel Charles und ihre Gesellschafterin Leonce nützen Madelaines Unwissenheit in Finanzdingen aus und treiben sie in den Ruin, um sich selbst bereichern zu können. Madeleine und ihr behinderter Sohn Paul stehen somit vor dem Nichts. Pierre Lemaitre geht es dabei auch um die Darstellung der sozialen Verhältnisse jener Zeit.

Rebellion gegen die männliche Vormacht

Madelaine rebelliert aber nicht nur, sie zieht zu einem Rachefeldzug aus, greift kühl kalkulierend immer skrupelloser auch zu kriminellen Mitteln, um ihre Gegner, die ihr und ihrem Sohn geschadet haben, zu vernichten. Dabei versichert sie sich auch einiger Helfer, um die schmutzigen Geschäfte auszuführen.

Buchumschlag

VERLAG KLETT-COTTA

Vom Krimi zum Historienroman

Pierre Lemaitre kann und will es nicht verleugnen: Er kommt aus der Krimiliteratur. Keine seiner Figuren ist rein, moralisch sauber. Allen wohnt eine mehr oder weniger starke kriminelle Energie inne. Es geht um Korruption, Erpressung, Nötigung, Betrug, sogar Mord - letztlich darum, wer in angespannten Zeiten das größere Schlitzohr ist.

Der Autor springt gerne von einem Handlungsstrang zum anderen, besonders dann, wenn die Leserschaft ungeduldig bei der Fortsetzung des einen verharren möchte. Die Wendungen sind oft so verblüffend, dass man mitunter nicht weiß, wem eine direkte Rede gerade zuzuordnen ist. Die Trilogie ist Lemaitres erster Ausflug in das Genre des historischen Romans. Wenngleich der Autor diese Unterscheidungen nicht mag, seine Bücher bezeichnet er lieber als Abenteuerromane.

Helden mit Handicap

Den Titel seines Romans, "Die Farben des Feuers", hat sich Piere Lemaitre von einem Gedicht des französischen Schriftstellers Louis Aragon entliehen, das dieser 1941 geschrieben hat. Gemäß der Lektüre scheint es schwer zu sein, in Zeiten sich anbahnender Brutalität anständig zu bleiben. Lediglich der junge Paul in seinem Rollstuhl könnte ein Lichtblick sein. Er erinnert an seinen kriegsversehrten Onkel aus dem ersten Roman. Nicht von ungefähr baut Pierre Lemaitre Menschen mit Handicap in seine Geschichten ein, schildert detailreich ihre Versehrungen und Mühen. Die Körper der Figuren spielen eine wichtige Rolle in seinen Büchern, sagt der Autor.

Das erste Trauma meiner Kindheit

Derzeit schreibt Pierre Lemaitre am letzten Band seiner Trilogie, der im Sommer dieses Jahres fertig werden soll. Die Handlung wird sich anders als in den vorangegangenen beiden Romanen nicht über mehrere Jahre erstrecken, sondern innerhalb von vier Wochen, im Jahr 1940, spielen, als die deutschen Truppen in Frankreich einmarschieren.

Service

Pierre Lemaitre, "Die Farben des Feuers", Verlag Klett-Cotta

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