Blumen und Kerzen auf dem Pannenplatz

APA/HERBERT P. OCZERET

Flüchtlingsdrama von Parndorf - vier Jahre danach

In Szeged in Ungarn beginnt morgen der Berufungsprozess nach der Flüchtlingstragödie von Parndorf. Den angeklagten Schleppern droht lebenslange Haft. 71 Menschen waren im Sommer 2015 in einem Kühl-Lkw auf der Fahrt von Ungarn nach Österreich erstickt, unter ihnen drei irakische Jesiden, eine erst 14 Jahre alt. Bernt Koschuh hat im Irak ihren Vater getroffen.

Die letzte Nachricht am Handy von Elin Kuli hat "bad day!" gelautet, also "schlechter Tag" und "bad day!" war auch ihr letzter Whats-App-Status. An diesem schlechtesten Tag im Leben der 14-Jährigen wurde ihre Leiche in einem Kühl-Lkw an der Ostautobahn bei Parndorf entdeckt - und die Leichen von 70 anderen erstickten Asylsuchenden, darunter ihr 16-jähriger Bruder.

Vater Hazim Kuli zeigt uns die Nachricht, Fotos von ihren Gräbern, seiner Verabschiedung von den Kindern und ein Gruppenbild "Alle da auf dem Foto haben ihr Leben verloren. Da sind sie noch in einem Wald in Ungarn. Hier sind mein Bruder, mein Sohn und meine Tochter."

Vater Hazim Kuli; Josef Weidenholzer, scheidender sozialdemokratischer EU-Abgeordneter und Bayar Dosky, irakischer Politikwissenschafter.

Vater Hazim Kuli, Josef Weidenholzer (scheidender sozialdemokratischer EU-Abgeordneter) und Bayar Dosky, irakischer Politikwissenschafter.

ORF/BERNT KOSCHUH

"Die IS-Kämpfer waren im Jahr 2014 ganz nahe an unserem Dorf. Wir konnten sie hören und sie konnten uns sehen."

Dann erzählt der irakische Jeside Kuli, warum er die verhängnisvolle Entscheidung getroffen hatte, seine Kinder um 8.500 Euro mit Schleppern Richtung Deutschland zu schicken. "Dis IS-Kämpfer waren im Jahr 2014 ganz nahe an unserem Dorf - auf der anderen Seite des Flusses, des Tigris. Wir konnten sie hören und sie konnten uns sehen."

Anfang 2015 konnten kurdische Peshmerga-Kämpfer, denen auch Hazim Kuli angehört hat, den IS zurückschlagen aber die Angst blieb: "Natürlich hatte ich Angst. Jeder hat Daesh, den IS zurück erwartet. Sonst hätte ich meine Kinder nicht weggeschickt."

"Natürlich hatte ich Angst. Jeder hat Daesh, den IS zurück erwartet. Sonst hätte ich meine Kinder nicht weggeschickt."

Der Jeside erzählt auch, dass ein Verwandter im Sindschar-Gebirge vom IS ermordet und seine Frau gefangen genommen und erst gegen Lösegeld freigelassen wurde.
Trotzdem hätte er seine Kinder rückblickend lieber nicht fortgeschickt.

"Meine Frau trägt nur noch schwarz seit sie die Kinder verloren hat. Ihr Herz ist gebrochen. Und meine Mutter ist damals aus Gram gestorben."

Erst 20 Tage nach dem Tod der Kinder hat Hazim Kuli davon erfahren. Denn als der Kontakt zu Sohn und Tochter abgebrochen war, hat ein Schlepper Hazim Kuli immer wieder beruhigt, die Kinder seien wohl im Gefängnis gelandet und nur deshalb nicht erreichbar.

"Dann nach 20 Tagen hat mich ein anderer Vater angerufen und gesagt: Ich habe gehört, Sie hatten auch Kinder in dem Schlepper-Lkw mit den Toten."

Die Leichen der Kinder und des Bruders wurden in den Irak überstellt und begraben. Die Trauerarbeit, ist auch dreieinhalb Jahre später noch nicht abgeschlossen, konstatiert der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer, der den Kontakt zu der Familie hergestellt hat: "Die Familie ist gebrochen, die bereuen, dass das passiert ist und meinen, dass sie die Kinder nie hätten wegschicken sollen."

Inzwischen hat die Familie wieder eine kleine Tochter, sie trägt den Namen der verstorbenen Schwester Elin. Vater Hazim Kuli aber hat einen großen Wunsch, in Ungarn und Österreich die Orte zu besuchen, wo zwei seiner Kinder ihr Leben lassen mussten. Vielleicht wird das zu einem Jahrestag der Tragödie von Parndorf ermöglicht, hofft er.

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