Gelatin, Stinking Dawn, 2019 (Bildausschnitt)

GELATIN/GALERIE MEYER KAINER, WIEN

Performance & Filmdreh

"Stinking Dawn" in der Kunsthalle Wien

Das Künstlerkollektiv Gelatin und der britische Maler und Objektkünstler Liam Gillick sind Protagonisten einer Ausstellung, die morgen in der Kunsthalle Wien eröffnet wird, und bei der die Besucherinnen und Besucher zu Schauspielern werden.

Mit einer Skulptur mit Riesenpenis aus Plastilin sorgte Gelatin 2003 für großes Aufsehen bei den Salzburger Festspielen, oder lud kürzlich in Rotterdam zum "Nacktbesuch" ins Museum ein. Liam Gillick war 2002 für den Turner-Preis nominiert und hat 2009 den Deutschen Pavillon bei der Kunstbiennale in Venedig bespielt.

Mittagsjournal | 04 07 2019

Sabine Oppolzer

Ausstellungsraum als Filmset

In den nächsten zehn Tagen ist die Kunsthalle Wien weniger ein Ausstellungsraum, als ein Filmset. Genauer gesagt, ist hier eine Performance der Gruppe Gelatin zu sehen, die gefilmt wird und zu einem 90-minütigen Kinofilm verarbeitet werden soll.

Die Handlung: Vier bedauernswerte junger Snobs bilden sich ein, mit etwas, das sie als Post-Linksradikalismus bezeichnen, die Welt verbessern zu können. Sie zerstreiten sich, langweilen sich dann, und am Schluss wird alles zerstört. Das Drehbuch hat der britische Künstler Liam Gillick geschrieben. Etwa zwei Seiten umfasst die Handlung und auf 20 Seiten sind die Sätze aufgeschrieben, die fallen sollen. Richtige Dialoge gibt es nicht, sie sind der Improvisationskunst der Akteure überlassen.

Popomalen

Es gibt verschiedene Handlungsorte: eine Unterwäschefabrik oder eine Mine, in der Minenarbeiter versuchen Kreise zu zeichnen und zwar mit dem Stift im Popo, wie Ali, Mitglied er Gruppe Gelatin erklärt. Auf die für Gelatin typisch verspielte Weise wird hier also nach dem Fußmalen Popomalen in den Kunstkanon eingeführt.

Nachtclub als Schmelztiegel der Gesellschaft

Auch eine Heroinszene darf in einem ordentlichen Film nicht fehlen, wie Liam Gillick sagt, die Szene also, in der sich einer der Akteure den Arm abbindet und sich einen Schuss setzt. Für Liam Gillick von besonderer Bedeutung ist die Nachtclubszene, in der unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammentreffen: Snobs, Verführer, junge Menschen, Personen mit ganz unterschiedlichen Moralvorstellungen. Die Grenzen von Toleranz, Selbsthass und Liebe werden hier ausgelotet. Es kommt zum finalen Kampf zwischen Begehren, Beziehungen, Spiel und Idealismus.

Knallharter Zeitgeist

Gillick meint, diese Szene sei ebenso verspielt wie tief ernst, sie sei so etwas wie die Anschaulichmachung zeitgenössischer psychologischer und intellektueller Zustände. Ein Stück Realität also ist in den nächsten Tagen in der Kunsthalle Wien zugegen, in dem übrigens auch die Zuschauer und Zuschauerinnen mitspielen können. Eine Ausstellung, die knallhart den Zeitgeist widerspiegelt.

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