Wiener Philharmoniker in Salzburg

SF/ANNE ZEUNER

"Zeit mit Enescu" in Salzburg

Der Cellist Pablo Casals nannte ihn den "Mozart des 20. Jahrhunderts": George Enescu, 1881 im Norden Rumäniens geboren, 1955 in Paris gestorben, zählte zu den einflussreichsten Komponisten, Geigern, Dirigenten und Musikpädagogen seiner Zeit und darüber hinaus. Sein Name steht heute aber vergleichsweise selten auf den Konzertspielplänen. Nun laden die Salzburger Festspiele unter dem Titel "Zeit mit Enescu" zu einer vertieften Auseinandersetzung mit seinem Werk.

Kulturjournal | 30 07 2019

Sebastian Fleischer

Im Mittelpunkt steht dabei sein Opus Magnum, die Oper "Oedipe", die ab 11. August in der Felsenreitschule zu erleben ist (Ö1 am 17. August). Darüber hinaus werden Enescu-Werke in kleinerer Besetzung gegeben. Den Anfang machte der Geiger Maxim Vengerov an der Seite der Pianistin Polina Osetinskaja mit Mozart, Schubert, Ravel - und der zweiten Violinsonate von George Enescu.

Georges Enescu und Yehudi Menuhin, 1952

Georges Enescu und Yehudi Menuhin, 1952

AFP

"Zu selten gespielt"

So viel Wucht und Ernsthaftigkeit wie ein Werk von Johannes Brahms durchdringt George Enescus zweite Violinsonate schon ab den ersten Takten. Man hört, Brahms war Enescus erster musikalischer Held, seit er im Kindesalter zum Studieren nach Wien kam. Bereits im Alter von 17 Jahren habe er seinen Stil gefunden, sagt der Geiger Maxim Vengerov im Ö1 Gespräch. Es sei schwer, einen anderen Menschen zu finden, der so viel in so kurzer Zeit auf einem solchen Nivea gemacht habe - ein Genie, so Vengerov.

Hätte es George Enescu nicht gegeben, würde es heute auch eine bestimmte Form des Violinspiels nicht geben - darüber ist man sich in der Fachwelt einig. Als Komponist, Geiger und nicht zuletzt als Musikpädagoge, der Interpreten Yehudi Menuhin hervorgebracht hat, prägte Enescu die nachfolgenden Generationen - und Maxim Vengerov nimmt sich da nicht aus. "Mit seinen Kompositionen hat Enescu die Geige im 20. Jahrhundert weitergebracht. Zu selten werden seine drei Violinsonaten gespielt."

Von höheren Mächten gelenkt?

"Ich gestehe, dass ich dieses Werk in seiner Schönheit, Komplexität und Wesentlichkeit, bis jetzt noch nicht so wahrgenommen", sagt Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele. Erst der Entschluss, Enescus Meisterwerk, die Oper "Oedipe", ins Programm zu nehmen, habe ihn zu Enescus Gesamtwerk hingeführt, so der Intendant und Pianist. Mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Ingo Metzmacher, inszeniert von Achim Freyer und mit Christopher Maltman in der Titelpartie, wird "Oedipe" nun in der Felsenreitschule gezeigt.

Zwei Jahrzehnte schrieb George Enescu an dem Werk, da das Komponieren immer nur eine seiner vielen Tätigkeiten war. Der von Ödipus begangene Vatermord und Inzest führt in der Oper zur zentralen Frage, ob der Mensch sein eigenes Schicksal in der Hand hat oder von höheren Mächten gelenkt wird.

Meisterwerk des 20. Jahrhunderts

"'Oedipe' ist eines der großen Meisterwerke der Musik der 20. Jahrhunderts", sagt Hinterhäuser, der noch gerne mehr symphonische Werke Enescus ins Programm genommen hätte, wie er zugibt. Allerdings habe sich dieses Vorhaben mit keinem Orchester realisieren lassen.

So werden Mitglieder der Wiener Philharmoniker Enescus ebenfalls zentrales Oktett für Streicher neben Brahms' Streichsextett aufführen, ein Ensemble um den Geiger Renaud Capucon spielt sein Klavierquintett in a-Moll Opus 29, und zum Abschluss präsentiert die Geigerin Patricia Kopatchinskaja die berühmteste seiner Violinsonaten, die Nummer drei in a-Moll Opus 25.

Für Florian Wiegand, den Konzertchef der Salzburger Festspiele, ist Kopatchinskaja überhaupt eine der zentralen Akteurinnen des Enescu-Schwerpunkts. "Sie hat sich viel mit Volksmusik beschäftigt. Ihre Eltern sind Volksmusiker - der Vater spielt Cymbalon. Das ist genau ihre musikalische Herkunft. Sie versteht diesen Rhythmus, sie versteht es, woher Enescu kommt. Wir haben gesagt, wenn wir so einen Schwerpunkt machen, dann brauchen wir jemand wie Patricia Kopatchinskaja. Das ist in ihrem Blut."

Mit der Pianistin Polina Leschenko wird Patricia Kopatchinskaja abwechselnd Stücke von George Enescu und Maurice Ravel aufführen - letzterer war ein Studienkollege Enescus in Paris. Da wird auch Ravels Tzigane-Rhapsodie noch einmal erklingen, die Kopatchinskaja schon im Eröffnungsfestakt in der Version für Violine und Orchester dargeboten hat. Und man darf davon ausgehen, dass die Geigerin auch am 18. August in der Stiftung Mozarteum - zwecks besserer Erdung - wieder barfuß auf die Bühne kommen wird.

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