Sabine Nikolay hält eine Woodstock-Eintrittskarte in der Hand

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Ö1 Schwerpunkt

50 Jahre Woodstock

Vor zehn Jahren machte ich mich auf den Weg in die USA, um ein paar Woodstock-Veteran/innen aufzustöbern. In New York City traf ich Joel Rosenman, einen der beiden Financiers. Wir unterhielten uns in einem noblen Hochhaus am Central Park.

In White Lake, Upstate New York, plauderte ich über einen Zaun hinweg mit einem schon etwas betagten Bauern, der den Hippies damals einen Gartenschlauch ausgelegt hatte, damit sie Trinkwasser bekamen. In Berkeley besuchte ich Joe McDonald in seinem Familiendomizil, wo vom Enkelkind bis zum desinteressierten Nachzügler-Teenager viele Leute herumwuselten und Joe in seiner Küche neben dem überquellenden Mülleimer seinen I-Feel-Like-I'm-Fixin’-To-Die-Rag anstimmte.

"There is always a little bit of heaven at a disaster area."

Er schickte mich um die Ecke, wo Wavy Gravy immer noch in einer Kommune lebte. Wavy war derjenige, der nach den sintflutartigen Regenfällen auf dem Hügel in White Lake durch das Mikrofon gesagt hatte: "There is always a little bit of heaven at a disaster area". Weiter ging es nach Malibu, wo mir John Morris, der die Bands in Woodstock angesagt hatte, die Türe zu seinem Haus in den Hügeln hoch über dem Pazifik öffnete. "We were wild young men", sagte er um Verständnis heischend, als ich die Situation der Frauen in der Hippie-Ära zur Sprache brachte. Und schließlich reiste ich tatsächlich nach Woodstock, New York, um Michael Lang zu treffen, den künstlerischen Leiter des Festivals.

Woodstock-Festival

AP/MARTY LEDERHANDLER

Das Woodstock-Festival ist vor allem wegen der Begleitumstände in die Geschichte eingegangen: Es gilt als das größte Festival aller Zeiten - ein Mythos, es gab größere. Es verursachte den größten Verkehrsstau aller Zeiten - na ja, zumindest für New York State lassen wir das gelten. Es war ein Festival der Superlative, was die Musik anbelangt - nun, blickt man auf die Liste der Bands, die auftraten, sieht man: Bis auf einen verhaltensauffälligen Engländer namens Joe Cocker und den jungen Carlos Santana waren es vor allem jene Bands, die ohnedies jede Woche im Fillmore West oder Fillmore East, den beiden Konzertlokalen von Bill Graham, auftraten.

Wenngleich ein paar alte Hasen des Musikbusiness dort ihren erst zweiten Auftritt als neue Formation absolvierten. Crosby, Stills, Nash and Young spielten vor immerhin rund 250.000 Menschen.

"3 Days of Peace and Music."

Was das Woodstock-Festival so stark im kollektiven Gedächtnis verankerte, war der Film, der ein Jahr später, 1970, herauskam, einen Oscar gewann, und durch seine Split-Screen-Technologie eine Neuerung darstellte. Einer der Cutter war übrigens ein gewisser Martin Scorsese. Der Film ist ein unschätzbar wertvolles Zeitdokument, zum Beispiel wenn Alvin Lee in atemberaubender Geschwindigkeit die Saiten seiner Gitarre im Solo von I'm Going Home (By Helicopter) malträtiert.

Apropos Hubschrauber: Wegen des Verkehrsstaus mussten die Musikerinnen und Musiker eingeflogen werden. Und wegen des Ansturms der Fans wurden die Zäune nicht fertig. Die Folge war ein Konkurs, der den Veranstaltern nur zehn Prozent der Rechte an Woodstock ließ. Doch nach zehn Jahren war Woodstock schuldenfrei, seither werfen Film, Platten, CDs und allerlei Nippes fette Gewinne ab. Die beiden noch lebenden Veranstalter, Joel Rosenman und Michael Lang, lizensieren alles Mögliche auf den Namen "Woodstock": eine weltweite Lokalkette zum Beispiel, auch ein Granola-Müsli ist dabei.

Michael Lang veranstaltet außerdem zu den Jahrestagen regelmäßig weitere Festivals, die mehr oder weniger erfolgreich sind. Heuer, zum Fünfziger, eher weniger: Nachdem der Hauptsponsor von Woodstock 50 (das übrigens wieder nicht in Woodstock hätte stattfinden sollen, sondern auf einem gesichtslosen Messegelände bei Watkins Glen) abgesprungen war, setzten die Verwalter des Veranstaltungsorts Michael Lang kurzerhand vor die Tür.

Momentan sieht es so aus, als würde das legendäre Festival seinen Fünfziger nicht mit Livemusik von der Bühne, sondern mit einem Symposion am Originalschauplatz - an dem sich heute ein "Woodstock Museum" befindet - begehen. Immerhin: Der sympathische, von Starallüren gänzlich befreite Joe McDonald hat schon zugesagt.

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