
APA/HERBERT NEUBAUER
Park- und Wohnraum
Autofreie Städte für den Klimaschutz
Letzte Woche berichtete der Londoner "Economist" von "post-car-cities", - was man vielleicht mit "autofreie Städte" übersetzen könnte - die sich in ganz Europa ausbreiten. Anhand von Beispielen wie Antwerpen, Paris oder Barcelona zeigt sich: Der private Autoverkehr wird immer mehr zurückgedrängt durch Scooter, Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel.
13. September 2019, 02:00
Das Auto steht 23 Stunden am Parkplatz, eine Stunde ist es durchschnittlich in Bewegung. In Wien werden 38 Prozent alle Wege mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, 29 Prozent mit dem PKW 26 Prozent zu Fuß und sieben Prozent mit dem Fahrrad.
Mittagsjournal | 13 08 2019
Autos sind nicht Fahrzeuge, sondern Stehzeuge
Günter Emberger, Verkehrsplaner an der TU Wien, meint, man könnte vor allem in einer Großstadt wie Wien, auf das Auto weitgehend verzichten, denn, wie er sagt "nur sechs bis zehn Prozent der Autofahrten in der Stadt sind notwendig. Das sind jene Fahrten, bei denen etwas geliefert oder transportiert wird, dazu gehören auch Krankentransporte. Alle anderen Fahrten könnte man etwa in Wien ganz leicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen".
Kulturjournal | 14 08 2019 | Stadtplaner Günter Emberger im Gespräch
Das Auto, eine Glücksvorstellung der 1960er Jahre
In den 1960er und 1970er Jahren wurden historisch gewachsene europäische Städte, die jahrhundertelang ohne Autos funktioniert haben, fürs Auto umgerüstet: Alleen wurden gefällt, Straßen verbreitert, Plätze zu Parkplätzen umfunktioniert. Je mehr die Städte von Autos überflutet wurden, desto mehr zogen die Menschen an den Stadtrand.
Auch heute ist es noch so: Menschen ziehen an den Stadtrand, weil sie ihren Kindern frische Luft und Bewegungsfreiheit bieten wollen. Auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen im PKW beeinträchtigen sie dann aber alle jene Menschen, die entlang dieses Weges wohnen. Emberger fordert, dass die Pendlerpauschale überdacht werden muss und die öffentlichen Verkehrsmittel an den Stadtrand ausgebaut werden müssen.
Junge Menschen wollen autofrei leben
Jetzt kehrt sich der Trend um. Viele Menschen wollen autofrei leben und hätten vor ihrer Haustüre statt parkender Autos lieber Bäume, Gärten, Kinderspielplätze oder - reduziert man auch die Fahrstreifen - Tennisplätze oder Swimmingpools. Emberger meint, es sei sozial ungerecht, dass Menschen, die keinen PKW in der Stadt besitzen, nicht diese 12qm Fläche vor ihrem Haus zur Verfügung haben, die ein Autofahrer ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt.
Neue Stadtviertel in Wien sind weniger autoabhängig
Neu errichtete Wiener Stadtviertel wie das Sonnwendviertel, das Nordbahnhofareal oder die Seestadt Aspern sind schon stärker für den öffentlichen Verkehr konzipiert. In den Gründerzeitvierteln sollte der Anfang beim ruhenden Verkehr gemacht werden, wie Emberger meint. Denn etwa 30 Prozent der Parkgaragen stehen leer - weil Autofahrer direkt vor ihrem Haus parken wollen. Bedenkt man, wie knapp und teuer der innerstädtische Boden ist, erscheint das völlig absurd.
Absurdes Missverhältnis der Kosten von Park- und Wohnraum
So kostet ein Quadratmeter Parkplatz am Straßenrand etwa zehn Euro pro Jahr. Ein Quadratmeter Wohnraum hingegen 15mal so viel, nämlich zirka 150 Euro Miete. Da Wohnraum meist noch in fünf Etagen über einander gestapelt ist, kann der eine Quadratmeter Bodenfläche als Wohnraum fünfmal vermietet werden.
Nun ist das Missverhältnis noch offensichtlicher: aus einem Quadratmeter Boden kann man entweder 750 Euro Miete pro Quadratmeter im Jahr lukrieren - wenn man sie als Wohnraum nützt oder 10 Euro, wenn man ihn als Parkplatz verwendet.
Allein aus wirtschaftlichen Überlegungen muss man sich also die Frage stellen: warum lässt sich die Stadtverwaltung so hohe Einnahmen entgehen? Oder: warum werden die Stehzeuge so hoch öffentlich subventioniert?