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Literatur

Raoul Schrott: "Eine Geschichte des Windes"

Als passionierter Reisender und Abenteurer ist Raoul Schrott in vielen Ländern und Kulturen zu Hause. Einen Namen gemacht hat er sich als Romancier und Lyriker, als Übersetzer und Vermittler sumerischer, griechischer, arabischer oder altirischer Lyrik. Zuletzt hat er in seinem Opus Magnum "Erste Erde" die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Geschichte des Universums zusammengefasst und poetisch verdichtet. Einem historischen Abenteuer auf der Spur ist sein jüngstes Buch: 500 Jahre nach Magellans erster historisch belegter Weltumsegelung erzählt Raoul Schrott in "Eine Geschichte des Windes" von den todesmutigen Seefahrern.

Ö1 Morgenjournal | 16 08 2019

Kristina Pfoser

Man schrieb den 20. September 1519, als Magellan mit seiner Flotte aus fünf Dreimastern von Andalusien in See stach. Die Reise ging ins Ungewisse, das Ziel war, auf der Westroute die Gewürzinseln zu erreichen. Drei Jahre später kehrte nur eines der fünf Schiffe zurück, von den 240 Mann Besatzung haben 18 überlebt. Einer von ihnen war der Hannes aus Aachen, und diesen Namen hat Raoul Schrott auch auf den Besoldungslisten zweiter weiterer Weltumsegelungen gefunden.

In "Eine Geschichte des Windes" erzählt er, wie es damals wohl gewesen sein mag mit dem Kanonier Hannes. Nachdem all die großen Expeditionen immer aus der Sicht der Führer, der großen Helden erzählt werden, habe es ihn gereizt, das Geschehen aus der unteren Perspektive zu schildern, erklärt Raoul Schrott.

Ein abenteuerlicher Simplizissimus

Mit der "Geschichte des Windes" tauchen wir tief in die frühe Neuzeit ein mit all ihren Abenteuern und Entdeckungen, den Kriegen, Krankheiten und Grausamkeiten. "Alles aus der Chronik der Ereignisse übernommen, alles wahr", betont Schrott, und hier wiedergegeben in einer sozusagen zeitgemäßen Sprache, einem altertümlichen, barocken Duktus, der den Leser, die Leserin unmittelbar in die Welt des todesmutigen Hannes aus Aachen katapultiert, eines abenteuerlichen Simplizissimus.

Mit 14 habe er mit großer Begeisterung Schelmenromane gelesen – Lazarillo de Tormes, Gil Blas bis zu Grimmelshausen, "und das jetzt aus dem Ärmel zu schütteln mit der Sprache der Epoche und alldem, was der Volksmund damals hervorbrachte, das ist eine Fundgrube für einen Schriftsteller", schwärmt Raoul Schrott.

Buchcover

HANSER VERLAG

Ehre, Besitz und Macht

Zwischen den Berichten und Betrachtungen des Hannes aus Aachen tritt der Autor auch immer wieder als allwissender Erzähler auf und stellt Fragen - etwa: Wie kann man erklären, dass einer nach dem Horror der ersten Weltumsegelung gleich die nächste beginnt? Oder auch: was hat Männer wie Magellan angetrieben? Eine kurze Antwort darauf: Stolz und Streben nach Ehre, Besitz und Macht - bekannte Phänomene, meint Raoul Schrott. "Die Habgier, die Eifersüchteleien, das war so altbekannt und so modern, dass es vergnüglich war, es auf einer anderen Bühne darzustellen, einer schwankenden Bühne, von den Wellen und manchmal auch vom Wind angetrieben."

Beginn der Globalisierung

"Eine Geschichte des Windes" markiert nicht zuletzt den Beginn einer Globalisierung mit jahrhundertelangen Okkupationen, mit Verwüstung und Ausbeutung. Verbürgt ist übrigens auch, dass der dreifache Weltumsegler Hannes vergeblich auf seinen Sold wartete - bis zu seinem abenteuerlich-bizarren Ende, dass hier nicht verraten werden soll.

Service

Raoul Schrott, "Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal", Hanser Verlag

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