Ulrich Seidl Filmproduktion
Kino
"Lillian" - Road Movie einer unglaublichen Wanderung
1927 wollte die in die U.S.A. emigrierte Russin Lillian Alling zurück in ihre Heimat, weil ihr aber das Geld für die Rückreise fehlte, machte sie sich zu Fuß auf den Weg. In seinem Film "Lillian" lässt der österreichische Filmemacher Andreas Horvath seine Protagonistin in der Gegenwart die lange Reise quer durch den amerikanischen Kontinent unternehmen.
4. Oktober 2019, 02:00
Ö1 Morgenjournal
DI | 03 09 2019
Wolfgang Popp
Lillian ist in New York gestrandet, besitzt zwar einen Pass, aber keine gültige Aufenthaltsgenehmigung, hat kein Geld und spricht kein Englisch. Als ihr nicht einmal mehr ein Pornoproduzent einen Job geben will, geht sie los, hinaus aus New York und Richtung Westen, zu Fuß und mit nicht viel mehr am Leib als ihrer Kleidung.
Ich habe mich gefragt, ob die wahre Lillian nicht unter einer dissoziativen Fuge gelitten hat, wie weit ihr also bewusst war, was sie da macht.
Diese Atmosphäre wollte Regisseur Andreas Horvath auch für den Film generieren. Alles sollte auch wie ein Traum wirken und nicht gänzlich realistisch wahrgenommen werden können.
Ulrich Seidl Filmproduktion
Die Orte schreiben das Drehbuch
Das eigentliche Drehbuch sollten, so Andreas Horvath, aber Land, Leute und Zufall schreiben: "Ich war neun Monate durchgehend in den U.S.A., hatte zwei Wochen oder mehr Zeit, um zu recherchieren, bevor das Team dann für jeweils zweiwöchige Drehblöcke eingeflogen wurde."
Der echte Sheriff
Lillian wird von einem Redneck belästigt und durch ein Maisfeld verfolgt, oder von einem Sheriff von der einen Grenze seines Counties zur anderen chauffiert. Die Laiendarsteller fand Andreas Horvath jeweils vor Ort, der Sheriff war sogar echt und hatte keine Bedenken amtshandelnd vor der Kamera aufzutreten: "Nein, er hatte keine Vorbehalte und hat auch für den Dreh die Straßen gesperrt, auch für die Drohnenaufnahmen. Es war alles viel einfacher als es hier wäre."
Ohne Trump
Gemeinsam mit seiner Lillian hat Andreas Horvath die endlosen Weiten des Mittleren Westens durchquert und damit die Hochburg der konservativen U.S.-Wählerschaft. So wird Lillian etwa Zeugin einer Straßenparade, auf der Kriegsveteranen geehrt werden. Trump-Plakate sind aber, obwohl die Dreharbeiten im Wahljahr stattfanden, nirgendwo zu sehen. "Ich habe mich sehr bemüht", sagt Andreas Horvath, "dass es eine universelle Geschichte wird, weil ich glaube, dass man dem Land nicht gerecht wird, wenn man es zu sehr auf einen Präsidenten oder eine Zeit festlegt."
Twin Peaks und Wilder Westen
Andreas Horvath lässt seine Lillian nicht nur den amerikanischen Kontinent durchwandern, sondern auch verschiedene filmische Genres. So setzt er sie wie in einem Western ganz den Unbilden von Wetter und Landschaft aus oder entwirft auf dem Highway der verschwundenen Frauen eine beklemmende Atmosphäre, die an David Lynchs Twin Peaks erinnert.
Road Movie und Dokumentation
Lillian wird übrigens von der polnischen Filmemacherin Patrycja Płanik gespielt und es ist ihr entrückter wie aus einer weiten Ferne kommender Blick, der ihren Beobachtungen der Landschaft und ihrer Menschen eine existentielle Tiefe verleiht. "Ich habe gemeinsam mit Michael Palm geschnitten", so Andreas Horvath, "und wir haben uns viel Zeit gelassen und den Film eigentlich wie einen Dokumentarfilm geschnitten."
Andreas Horvaths "Lillian" ist gleichzeitig ein bildmächtiges Epos und eine Dokumentation, die intelligent, weil zwischen den Bildern spricht, abwechselnd spannender Thriller und atmosphärische Meditation, kurz ein Glücksfall im heimischen Filmschaffen, der sich viele Zuschauer verdient.
Service
Ulrich Seidl Filmproduktion - Lilian
Gestaltung
- Wolfgang Popp