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Kunst
Maria Lassnig wäre 100
Spätestens, als sie 2013 mit dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig für ihr Lebenswerk geehrt wurde und ein Jahr später das New Yorker MoMA PS1 eine große Ausstellung ausrichtete, war klar: Am Ende hatte es Maria Lassnig dorthin geschafft, wo sie sich selbst immer gesehen hatte. Nämlich ganz oben. Heute, am 8. September jährt sich der Geburtstag der großen österreichischen Malerin zum 100. Mal.
9. Oktober 2019, 02:00
Geboren wurde Lassnig am 8. September 1919 im kärntnerischen Kappel am Krappfeld als uneheliches Kind in ärmsten Verhältnissen. 1941 wurde die angehende Künstlerin an der Wiener Akademie der Bildenden Künste in die Meisterklasse Wilhelm Dachauer aufgenommen. 1943 wechselte sie zu Ferdinand Andri, besuchte den Abendakt bei Herbert Boeckl und schloss im Jänner 1945 als akademische Malerin mit dem Diplom ab.

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Maria Lassnig "Im Gespräch"
"Von der 'entarteten' Kunst zur Grande Dame der Malerei", lautete der Titel des APA-Porträts anlässlich ihres Todes am 6. Mai 2014. Heute weiß man, dass die Kärntnerin nicht wegen ihres Malstils von der Akademie der Bildenden Künste Wien gewiesen wurde, sondern im Gegenteil in der NS-Zeit Stipendien erhalten hatte, und in der 2017 erschienenen Lassnig-Biografie von Natalie Lettner ist nachzulesen, dass sie es nicht ausstehen konnte, als Grande Dame der österreichischen Kunst bezeichnet zu werden. Dort wird freilich auch beschrieben, wie schwierig die Künstlerin im persönlichen Umgang war, wie verletzend sie sein konnte, wenn sie sich im Verfolgen ihrer künstlerischen Berufung beeinträchtigt fühlte - und dass sie den Titel ihrer letzten großen mumok-Schau "Maria Lassnig. Das neunte Jahrzehnt" ganz und gar nicht mochte.
Ich bin die Frau Picasso / fang die Bilder mit dem Lasso
Tatsächlich wird sie heute in einem Atemzug mit internationalen Größen wie Louise Bourgeois und Joan Mitchell genannt. "Mit ihrer Körperbewusstseinsmalerei ist sie bahnbrechend. Es hat fast Jahrzehnte gedauert, bis man das erkannt hat, aber in dem Augenblick, in dem sie sich durchgesetzt hat, wurde sie eine der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts", sagte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder im Ö1 Morgenjournal.

MARIA LASSNIG STIFTUNG
Ö1 Morgenjournal
Albertina-Ausstellung | 05 09 2019
Die Farben der Wahrnehmung
Generationenübergreifende Wirkung
"Die Bedeutung ihrer Malerei ist vor allem darin begründet, dass sie sich nicht nur mit den wichtigen Themen der Moderne beschäftigt, sondern dass sie mit ihren Fragen und Formulierungen weit in nächste Generationen hinein Verweise setzt", sagt Peter Pakesch. "Sie stand zu Lebzeiten immer im Dialog mit den folgenden Generationen. Ihr Werk ist heute noch eine besondere Quelle für die Jüngeren. Eindrucksvoll ist das in der Ausstellung 'Body Check - Martin Kippenberger - Maria Lassnig' im Münchner Lenbachhaus (bis 15.9.) zu sehen." Pakesch ist Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Maria Lassnig Stiftung, die sich zur Aufgabe gemacht hat, "das Werk Maria Lassnigs langfristig zu sichern, ihr Schaffen der Öffentlichkeit näher zu bringen und das Verständnis dafür zu vertiefen".
Späte Anerkennung
"Noch zu Lebzeiten begann mit einer Serie von Ausstellungen in der Londoner Serpentine Gallery, dem Mumok, dem Lenbachhaus in München, der Neuen Galerie in Graz, den Deichtorhallen in Hamburg und dem New Yorker MoMA PS1 ihre wahre Bedeutung immer klarer hervorzutreten", so Pakesch zur APA. "Das hat sich weiter in spektakulären Ausstellungen seit ihrem Tod in der Tate Liverpool, dem Folkwang Museum in Essen, der Nationalgalerie in Prag, der Albertina, dem Kunstmuseum Basel und anderen wichtigen Häusern in einem Maße verstärkt, dass wir davon ausgehen können, sie als die überragende Malerin des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts zu sehen." Die Stiftung war auch Hauptleihgeberin der mit 250 Exponaten bisher größten Schau zu Maria Lassnig, die im Frühjahr im Stedelijk Museum in Amsterdam zu sehen war und nun in reduzierter Form als Geburtstags-Ausstellung der Albertina gezeigt wird.
Künstlerischer Werdegang
Die erste Einzelausstellung folgte 1948 in Klagenfurt, wo auch ihre ersten "Körperbewusstseins"-Arbeiten entstanden, mit denen sie später breite Anerkennung fand. 1951 übersiedelte sie nach Wien. Dort gehörte sie zum Kreis um Monsignore Otto Mauer. Bei mehreren Paris-Aufenthalten lernte sie u.a. den Dichter Paul Celan und den Surrealisten Andre Breton kennen, ließ sich von der "ecriture automatique" und dem Tachismus beeinflussen. 1968 übersiedelte sie nach New York, wo sie sich nicht nur mit Malerei, sondern auch mit Zeichentrickfilmen beschäftigte.
1980 kehrte sie nach Wien zurück, wo sie eine Professur für Malerei an der Hochschule für Angewandte Kunst übernahm. Im selben Jahr vertrat sie - zusammen mit VALIE EXPORT - ihre Heimat bei der Biennale in Venedig. 1982 und 1997 folgten Einladungen zur documenta nach Kassel. Als erste bildende Künstlerin erhielt Lassnig 1988 den Großen Österreichischen Staatspreis, zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten. 2013 schließlich, spät aber doch, der Goldene Löwe der Biennale Venedig für ihr Lebenswerk.

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Ö1 Kunstgeschichten
Petra Ganglbauer über Maria Lassnigs "Du oder ich" - Neue Texte
Breites Oeuvre
Zu ihrer bekannten Körperbewusstseinsmalerei ("Ich male und zeichne nicht den 'Gegenstand' Körper, sondern ich male Empfindungen vom Körper.") waren in ihren letzten Lebensjahren viele andere Motive dazugekommen, ganze Serien, in denen sie auch mit immer neuem Umgang mit Farbe und Licht überraschte: "Keller-Bilder" etwa, oder Darstellungen männlicher Dominanz und Gewalt vom "Weltzertrümmerer" bis zum "Kinderschreck". Die Stedelijk-Ausstellung überraschte mit frühen Keramiken aus den 70ern, Bronzen, Fotocollagen, Modeskizzen und widmete sich auch ihrem filmischen Werk, das aufgrund von nach Lassnigs Tod gefundenen Filmen und Filmfragmenten noch angewachsen ist. Dass sie fast bis zum Totenbett noch gearbeitet hat, belegen späte Bilder mit Titeln wie "Vom Tode gezeichnet" (2011).
Ihre Gemälde sind längst nur noch für Museen und kapitalkräftige Sammler erschwinglich. Die Platzierung der hinterlassenen Werke in den wichtigen Museen der Welt zur dauerhaften Sicherung ihrer Bedeutung ist eines der erklärten Ziele der Stiftung.
(K)ein Frauenschicksal
"Maria Lassnigs Biografie ist exemplarisch und außergewöhnlich zugleich für ein Frauenleben ihrer Generation", schreibt ihre Biografin Natalie Lettner. "Exemplarisch, was die Hürden und Fallstricke betrifft, mit denen Frauen im Allgemeinen und Künstlerinnen im Speziellen in jenen Jahren konfrontiert waren. (...) Außergewöhnlich ist ihre Lebensgeschichte, weil sie sich trotz alledem aufgrund ihrer herausragenden Begabung, ihrem Beharrungsvermögen und ihrer Unbeirrbarkeit schließlich doch als Künstlerin durchsetzen konnte."
Text: APA/red.
Service
Natalie Lettner, "Maria Lassnig. Die Biografie", Brandstätter Verlag
Maria-Lassnig-Stiftung