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Nachruf
KZ-Überlebender Marko Feingold gestorben
Er überlebte fünf Jahre in mehreren Konzentrationslagern, half nach dem Krieg Tausenden Juden bei der illegalen Auswanderung nach Israel und war bis zuletzt ein wacher und unermüdlicher Kämpfer gegen das Vergessen der NS-Gräueltaten: Heute, Freitag, ist Marko Feingold, seit 1979 Präsident der kleinen Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, im Alter von 106 Jahren gestorben.
21. Oktober 2019, 02:00
Der älteste Holocaustüberlebende Österreichs war einer der wenigen Juden, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Salzburg zurückgekehrt sind. Dabei war es Zufall, dass sich Feingold in der Festspielstadt niederließ. Am 11. April 1945 wurde das KZ Buchenwald von den US-Amerikanern befreit. Österreich kümmerte sich aber nicht um die Heimholung seiner Häftlinge. In einem letztlich selbst organisierten Transport wollten 128 Überlebende nach Wien fahren. Doch an der Demarkationslinie an der Enns gab es Probleme, bei der Rückfahrt nach Deutschland stieg Feingold spontan in Salzburg aus.
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Marko Feingold im Jahr 2015 anlässlich des Staatsaktes zum 70. Gedenktages zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 2015
Flüchtling im eigenen Land
So hatte Feingold sich selbst bezeichnet, denn die Tausenden Überlebenden der Konzentrationslager, die es als "displaced persons" (DPs) nach Salzburg verschlug, wollte man dort genau so wenig, wie die Juden, denen vor 1938 die Flucht ins Exil gelungen war. Sie wurden offiziell nie zur Rückkehr eingeladen oder aufgefordert.
Schon kurz nach seiner Ankunft wurde Feingold die Leitung der Verpflegungsstätte für ehemalige KZ-Häftlinge übertragen, später auch die Administration mehrerer DP-Lager in Stadt und Land Salzburg. Er half der Untergrundorganisation Bricha bei der Organisation der illegalen Flucht Tausender Juden nach Palästina.
Alpine Peace Crossing
Mit der Landesregierung verhandelte er damals die Zurverfügungstellung von Lastautos für den Transport. "Als sie mir keine geben wollten, habe ich gesagt: Es gibt zwei Möglichkeiten, entweder ich bekomme die Lastautos, oder die Juden bleiben da", erzählte er einmal. Der erste Konvoi bestand aus sechs Lkw.
Als die Flucht über den Brenner von den Alliierten unterbunden wurde, war Feingold an der Suche nach einer Alternativroute beteiligt. Im Sommer 1947 flohen 5.000 jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa zu Fuß über den Krimmler Tauern, um von Italien aus in Richtung Palästina auszuwandern. Seit 2007 erinnert die jährliche Überquerung "Alpine Peace Crossing" an das Ereignis. Ebenfalls 1947 kaufte Feingold im Auftrag der Bricha alte Boiler und Waschmaschinen auf, in denen - wie er erst später erfuhr - Waffen nach Palästina geschmuggelt wurden.
Geschäftsmann und Zeitzeuge
1948 eröffnete er in Salzburg das Geschäft "Wiener Moden", das er bis zu seiner Pensionierung 1977 führte. Er heiratete und ab 1979 leitete er die Israelitische Kultusgemeinde in Salzburg, die heute noch wenige Dutzend Mitglieder umfasst. Immer mehr wurde parallel dazu der Kampf gegen das Vergessen zur Lebensaufgabe. Feingold hielt mehr als 6.000 Vorträge vor Schulklassen - und zeigte sich über das oft fehlende Wissen der Jugendlichen bedrückt. "Es wird in Schulen nicht ausreichend über Rechtsradikalismus unterrichtet."
BURGTHEATER/REINHARD MAXIMILIAN WERNER
Im Herbst 2013 wurde Feingold zum Protagonisten des dutzendfach aufgeführten Zeitzeugenprojekts "Die letzten Zeugen" des Wiener Burgtheaters. Wenige Monate später besuchte er - damals schon 100-jährig - einen 21-Jährigen im Gefängnis, der wegen NS-Schmierereien und der Beschädigung der jüdischen Synagoge in Salzburg in U-Haft saß. Der angeblichen Läuterung des jungen Mannes stand er durchaus skeptisch gegenüber. Dabei pflegte Feingold zeitlebens einen charmanten Schmäh. Als ihn der frühere Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser einmal nach dem Geheimnis seines langen Lebens fragte, antwortete er: "Suchen Sie sich eine jüngere Frau." Feingolds zweite Gattin Hanna ist 35 Jahre jünger als er.
Feingold kritisierte oft, dass sich Österreich nie ehrlich seiner NS-Vergangenheit gestellt habe. Noch immer glaubten viele an den Mythos vom ersten überfallenen Land. "In Österreich sind die Überlebenden der Konzentrationslager nicht empfangen worden, die Kriegsgefangenen hat man aber mit Musik begrüßt", schrieb er. Es fehle an Aufklärung, auch der Antisemitismus habe nach 1945 wieder zugenommen. Zu spät für eine Aufarbeitung sei es aber nie.
Service
Ö1 ändert in memoriam Marko Feingold sein Programm:
"Journal Panorama" | MO | 23 09 2019 | 18:25 Uhr