ASSOCIATED PRESS
1945-2019
US-Operndiva Jessye Norman gestorben
Die US-amerikanische Opernsängerin Jessye Norman starb im Alter von 74 Jahren. Das meldete heute die "New York Times" mit Bezug auf die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press. Norman erlag einem Multiorganversagen als Spätfolge einer Rückenmarksverletzung, die sich die Sopranistin im Jahr 2015 zugezogen hatte.
31. Oktober 2019, 02:00
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Susanna Dal Monte
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In memoriam Jessye Norman
Jessye Norman war neun, als sie die erste Arie ihres Lebens hörte. Ein Radiosender übertrug sie live aus New Yorks Metropolitan Opera nach Augusta in Georgia. Von jenem Moment an sei sie eine Opernliebhaberin gewesen, erzählte Norman einmal. Neben der Oper widmete sich die Sängerin aus dem Süden der USA der Liedkunst. Sie war als Interpretin von Schumann, Schubert und Richard Strauss gefragt. Außerdem standen auch Blues und Jazz auf ihrem Programm.
Norman entstammte einer musikbegeisterten Familie. Die Mutter war Pianistin, der Vater Kirchensänger der Baptistengemeinde. Die fünf Geschwister wurden früh in den Gospelchor aufgenommen, Norman mit vier Jahren. Nach einem Gesangsstudium in den USA gewann sie 1968 den ARD-Musikwettbewerb und unterzeichnete gerade 23-jährig einen Drei-Jahres-Vertrag an der Deutschen Oper Berlin. Sie debütierte dort noch im gleichen Jahr als Elisabeth in Wagners "Tannhäuser".
Rasch eroberte Norman die großen Bühnen der Welt, sang an der Scala in Mailand ebenso wie am Londoner Covent Garden oder bei den Salzburger Festspielen. An der New Yorker Met triumphierte sie 1983 als Cassandra in "Les Troyens" von Berlioz. Ihr Repertoire war immer weit gespannt und reichte von den großen Wagner-Rollen wie Isolde, Sieglinde oder Kundry über die Lieder von Mahler und Schönberg bis hin zu Spirituals und geistlichen Gesängen. Zu ihren besten Aufnahmen zählen die "Vier letzten Lieder" von Strauss. Bei der Gala für Tschaikowskys 150. Geburtstag trat sie in Leningrad auf.
Bill Clinton bat sie zur Feier seiner zweiten US-Präsidentschaft im Januar 1997. Unter Seiji Ozawa sang sie "Das Lied von der Erde", begleitet vom Boston Symphony Orchestra. James Levine begleitete Jessye Norman 2001 bei einer Konzertserie in der New Yorker Carnegie Hall. Nach den Terrorangriffen auf das World Trade Center sang sie "America the Beautiful" am Ground Zero für die Opfer des 11. Septembers.
APA/HANS KLAUS TECHT
Jessye Norman und der frühere Bundespräsident Heinz Fischer
Im Jahr 2008 wurde Norman vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse verliehen. In Wien trat Norman zuletzt im Jahr 2011 im Konzerthaus mit einem Huldigungsprogramm an die "American Masters" Bernstein und Gershwin auf.
Ungeachtet ihres prall gefüllten Terminkalenders nahm sich die Sängerin Zeit für wohltätige Zwecke. Sie gehörte den Aufsichtsgremien der Carnegie Hall, der Öffentlichen Bücherei und des Botanischen Gartens von New York an. Sie engagierte sich für "Essen auf Rädern", das Dance Theatre in Harlem sowie die Aidsstiftung von Elton John. Darüber hinaus war Norman Sprecherin der US-amerikanischen Lupus-Stiftung und einer Hilfsorganisation für Obdachlose.