Herbert Föttinger, Joseph Lorenz und Katharina Klar

ERICH REISMANN

Ibsen-Überschreibung

"Rosmersholm" in der Josefstadt

Überschreibungen von bekannten Dramen der Weltliteratur sind im deutschsprachigen Theater nach wie vor in Mode, wenn es darum geht, den Werken neue Aktualität zu verleihen. So eine Überschreibung von Henrik Ibsens Stück "Rosmersholm" aus dem Jahr 1886 hat am Theater in der Josefstadt Premiere, genauer gesagt Uraufführung.

Ulf Stengl hat einen neuen Text verfasst, das Stück in die Gegenwart geholt und die politischen Vorzeichen verändert. Der deutsche Regisseur Elmar Goerden inszeniert, neben Joseph Lorenz und Katharina Klar, die vom Volkstheater an die Josefstadt gewechselt ist, ist Direktor Herbert Föttinger in einer für ihn untypischen Rolle als strammer Rechter zu erleben.

Pickerl-Überprüfung für Weltanschauungen

Aus Links wird Rechts. Während bei Ibsen die Hauptfigur, der Pastor Johannes Rosmer, mit seinen linksliberalen Ansichten die bürgerlich-konservativen Kreise verstört, hat er in der Josefstadt-Version die Seiten gewechselt. Aus dem Pastor wird ein Kulturwissenschaftler, den Herbert Föttinger als wertkonservativen Professor gibt, der die Kultur und Sprache in Gefahr sieht, und gleichzeitig die Demokratie in Frage stellt.

Ein ausländerfeindlicher Artikel von ihm ist auf einer rechten Internetplattform erschienen und bringt seinen Freund Kroll, dargestellt von Joseph Lorenz, zur Verzweiflung.

"Wieso schreibst du das? (…) Du bist kein Nazi." Kroll

Während der Alt-68er Kroll die Welt nicht mehr versteht, versteigt sich Rosmer auf seinem einsamen Landgut immer stärker in seine rechte Weltanschauung. Unterstützt und bekräftigt wird er dabei von der jungen Rebekka. Sie ist die ehemalige Pflegerin seiner Frau Beate, die sich aus dubiosen Gründen das Leben genommen hat.

Ibsen fehlt heute das Skandalon

Ibsen, so Regisseur Elmar Goerden, der regelmäßig mit dem Autor und Bühnenbilder Ulf Stengl zusammenarbeitet, sei für ihn ein Säulenheiliger. Seinen Stücken fehle aber heute die gesellschaftliche Sprengkraft. "Dass Nora ihren Mann verlässt, das ist kein brandaktuelles Thema mehr, oder der Skandal bei Hedda Gabler, aber trotzdem haben wir überlegt: Wie kriegt man das verstörerische Potenzial, das Ibsen hat, heute übersetzt?"

Indem man eben die Vorzeichen verändert. Dabei verzichtet Goerden auf Allgemeinplätze und Parolen und auf allzu platte Schwarz-Weiß-Zeichnung. Ihm sei es darum gegangen, die moralischen Schnapp-Reflexe des Publikums auszuhebeln, so Goerden.

Joseph Lorenz und Herbert Föttinger

Joseph Lorenz und Herbert Föttinger

ERICH REISMANN

Toleranz heißt nicht "Alles Scheißegal"

"Überzeugungen müssen von Zeit zu Zeit überprüft werden und das geht nicht, wenn man sich immer nur mit Gleichgesinnten unterhält. Der Dialog wird erst dann interessant, wenn man einen Widerstand hat, den man überwinden muss. Das führt dazu, dass man ein bisschen klarer denken kann, dass man bessere Argumente hat aber auch klarer sieht, wo die Grenzen sind, bis wohin es geht. Denn Toleranz heißt nicht 'Alles scheißegal, all is possible' - das ist ein Missverständnis", so Goerden.

Der zweite Teil des Abends beleuchtet dann stärker die Beziehung von Rosmer und Rebekka, macht die Hintergründe und Motive der Figuren deutlicher und lässt vielleicht auch verstehen, wie jemand zu solchen Denkansätzen kommt.

Herbert Föttinger und Katharina Klar

Herbert Föttinger und Katharina Klar

ERICH REISMANN

Wut als Motor

Katharina Klar, die vom Volkstheater an die Josefstadt gewechselt ist (dort aber noch als Gast spielt), gibt die Rebekka als kompromisslos, wütend-rebellisches Mädchen, das als Kind vielleicht missbraucht, sicher aber politisch indoktriniert wurde.

"Womit ich viel anfangen kann bei dieser Figur, ist ihre Wut auf die Herablassung mit der diese Gesellschaft, der sogenannten Unterschicht begegnet. Ich glaube, dass sie davon sehr viel in sich hat und das kann ich extrem nachvollziehen. Dieser Motor in ihr, hat es mir auch erlaubt, empathisch mit der Figur zu werden", so Klar.

Die eigene Haltung von Zeit zu Zeit zu befragen und auf den Prüfstand zu schicken, sei eine der dringlichsten Aufgaben des Theaters, so Regisseur Elmar Goerden. Wer sich der Pickerl-Überprüfung seiner eigenen Anschauungen unterziehen möchte, hat ab Donnerstag im Theater in der Josefstadt Gelegenheit dazu.

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