Eine Frau mit einem solar Kochgerät

FRANZI KREIS

Film

"But Beautiful" von Erwin Wagenhofer

In seinem neuen Dokumentarfilm fühlt Erwin Wagenhofer wieder den gesellschaftlichen Puls, diesmal allerdings hat sich sein Blickwinkel geändert. Wagenhofer begibt sich auf die Suche nach dem gelebten Guten. Weniger Anklage, mehr positive Inspiration soll "But Beautiful" sein.

Wagenhofer zählt seit Jahren zu den profiliertesten österreichischen Dokumentarfilmern. "We Feed the World", "Let’s Make Money" oder "Alphabet" wurden mehrfach ausgezeichnet und waren auch international erfolgreich. Sein neues Werk kommt am Freitag in die Kinos.

"But Beautiful" ist ein Film wie eine Jazz-Platte, mehr intuitive Skizze als streng konturierter Dokumentarfilm. Ein wilder Kino-Garten, in dem alles mit jedem verwoben ist und den Regisseur Erwin Wagenhofer nur zu gern wachsen und gedeihen lässt, auf dass er den Weg ins gute Leben symbolisiere.

Wagenhofer, der sich nicht als Filmemacher oder Regisseur bezeichnen will, wollte diesmal ganz bewusst eine neue Perspektive einnehmen. "Ich wollte nicht mehr in Abgründe blicken, das habe ich bereits zur Genüge gemacht. Daher auch ein anderer Tonfall. Dennoch bin ich der Meinung, dass das mein allerkritischster Film ist."

Alternativlos ist keine Kategorie

Wagenhofers Kritik richtet sich gegen den seit vierzig Jahren dominierenden Neoliberalismus, für ihn eine Art ideologischer Kerker. Mit acht leuchtenden Beispielen gelungener zukunftsorientierter Lebensentwürfe reitet er in "But Beautiful" dagegen an. 116 meditative Minuten lang. Vom österreichischen Jazz-Musiker Mario Rom, über die kolumbianische Sängerin Lucia Pulido, die symbolisch dafürsteht, dass Wagenhofer im Weiblichen und nicht im Männlichen die Zukunft sieht.

Ein Salzburger Förster, Erwin Thoma, philosophiert über den Wald als Vorbild ("Es wird uns jeden Tag erzählt, dass alles knapp ist. In Wirklichkeit aber haben wir von nichts zu wenig, sondern nur falsche Konzepte. Ein Baum dagegen tut nur das, was nötig ist, was er kann und was gleichzeitig für alle gut ist.") "But Beautiful" porträtiert auch ein Schweizer Paar, das Leben und Familie rund um die Permakultur aufbaut. Auch der Dalai Lama und seine Schwester stimmen ein. Aus dem Mund des höchsten Meisters kommt auch eine zentrale Aussage des Films - alles ist verbunden, nichts existiert unabhängig.

Neoliberalismus und Jazz als philosophische Widersacher

Meditativ lässt Wagenhofer seine Kamera über abendliche Schneelandschaften gleiten. Folgt dem Permakultur-Pärchen durch sein alternatives Eden oder zeigt indische Frauen, die sich als "solar mamas" emanzipieren. Zentrale Metapher für den frei fließenden Gedankenstrom jenseits von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum ist der Jazz - als sanfter fließender Strom, der sich geschmeidig als philosophischer Urfluss durch den Film zieht. John Coltrane wird zum Gefäß stilisiert, durch das Musik fließt. Coltrane nehme auf, er produziere nicht, heißt es im Film.

"Connectedness", Verbundenheit, Transzendenz - diese Begriffe positioniert Wagenhofer als Gegengewicht zur Geschichte vom Fortschritt. Damit reduziert er naturgemäß Komplexität und verliert mitunter auch an Bodenhaftung und Erdung.

Die Schritte zum "guten Leben"

In diesem impressionistischen Film-Gemälde bleiben manche Protagonisten bei aller Vorbildhaftigkeit statisch und entwickeln sich nicht. Die entscheidende Einsicht, den Schritt hin zum "guten Leben" haben sie bereits hinter sich. "Es gibt ein System", erklärt der Niederösterreicher, "von dem permanent behauptet wird, es gebe dazu keine Alternative und ich wollte eine Alternative zeigen. Mehr gibt’s eigentlich nicht zu sagen."

Als "kindlich unbefangene, direkte Gemüts-, Denkart" definiert der Duden eine Bedeutung des Wortes "naiv". In einem System, das nur mehr eine zulässige, alternativlose Erzählung kennt ist Erwin Wagenhofers Vision im besten Sinne naiv - und damit gleichzeitig hochpolitisch und systemkritisch.

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