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Aretha Franklin - Amazing Grace

Als "Schatz aus dem Archiv" werden oft Wieder- und Neuentdeckungen angekündigt, die mit Vorsicht zu genießen sind. Gerne wird da einfach nur recycelt was vielleicht besser weiterhin ungestört vor sich hingeschlummert hätte. Eine tatsächliche Archiv-Perle - und das für Augen und Ohren gleichermaßen - gibt es allerdings ab heute in den heimischen Kinos zu entdecken. "Aretha Franklin - Amazing Grace" heißt das Film-Ereignis mit dem fast niemand mehr gerechnet hätte.

Bereits die Platte wurde zum meistverkauften Gospel-Album aller Zeiten. 47 Jahre nach Franklins beiden historischen Konzerten erscheint nun endlich auch das dazugehörige Film-Dokument.

Morgenjournal | 29 11 2019

David Baldinger

Die New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles. Es ist Donnerstag, der 13. Jänner 1972. Diesen Ort wählte die damals 29-jährige Queen of Soul Aretha Franklin, selbst Tochter eines Priesters, für ihre Rückkehr zum Gospel. Franklin befindet sich am Zenit ihrer Schaffenskraft und lässt das kleine Gotteshaus erstrahlen. Einen so intensiven und hingebungsvollen Gottesdienst hat man selten gesehen. Im Gegensatz zu den Tonbändern verschwinden die Boxen mit dem Filmmaterial allerdings rasch im Warner-Archiv.

Schatzsucher

Gehoben hat den Schatz, der fast fünf Jahrzehnte im stillen Kämmerchen schlummerte, Regisseur Alan Elliott. "Ich war Junior Producer bei 'Atlantic'", erinnert sich Elliot, "als Alan Wexler, mein Idol damals, mir einfach so nebenbei erzählte, dass damals auch gefilmt wurde."

Mehrere Kameras hielten damals 15 Stunden der beiden Konzertabende fest. Elliott hatte seine Mission gefunden. Zwölf Jahre arbeitet er an dem Projekt und sein Einsatz hat sich dank moderner Digitaltechnologie gelohnt. Franklins Magie, ihre Stimmkraft und Intensität sind ab der ersten Nummer atemberaubend.

Der Oscar-Preisträger und sein Anfänger-Fehler

Gescheitert ist das Filmprojekt ursprünglich an Regisseur Sydney Pollack - der Oscar-Preisträger hatte schlicht darauf vergessen, Ton und Bild per Klappe zu synchronisieren. Dann klagte auch Aretha Franklin selbst mehrfach gegen die Veröffentlichung wegen Verletzung ihres Bildnis- und Persönlichkeitsrechts. Erst nach ihrem Tod im Vorjahr gab ihre Familie das OK. Zuvor hatte auch noch Sydney Pollack Elliott sein OK gegeben - er könne den Film restaurieren.

Daughter of a Preacherman

Sympathisch ist die unprätentiöse Machart. Mehr als einmal ist ein Kameramann im Bild zu sehen. Genauso unaffektiert bespricht Franklin mit ihrem Chorleiter einzelne Lied-Aspekte. "Es gibt immer wieder Szenen, in denen Franklin und Gastgeber Reverend James Cleveland über bestimmte Song-Aspekte sprechen", sagt Elliott. "Sie war sich natürlich bewusst, dass hier auch Plattenaufnahmen stattfanden."

Cleveland bricht übrigens ausgerechnet während "Amazing Grace" am Piano zusammen und beginnt zu schluchzen. Aretha Franklin ist hier als ergriffene Dienerin des Herren zu erleben. Ihre Augen bleiben andächtig geschlossen oder sie fixiert etwas, das fernab dieser Kirchenmauern liegt - während Ihr Publikum swingt, klatscht und schwitzt. Auch die Stones Mick Jagger und Charlie Watts finden sich ebenso im Bann von Franklins Performance wieder wie auch alle anderen Zeugen des Auftritts. Neunzig Filmminuten können kein Ersatz sein für das tatsächliche Erlebnis dieser Jännernächte in Los Angeles. Diese restaurierten Bilder transportieren aber auf beeindruckend unverfälschte Weise die Magie der Konzerte und ihrer Hauptdarstellerin Aretha Franklin.

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