APA/ROLAND SCHLAGER
Mit Itay Tiran
Lazars "Henker" am Akademietheater
Die jüdische Schriftstellerin Maria Lazar - um die Jahrhundertwende in Wien geboren und Kollegin von Adolf Loos, Elias Canetti, Hermann Broch oder Oskar Kokoschka - ist nach ihrer Flucht ins schwedische Exil und ihrem dortigen Freitod, anders als die männlichen Kollegen in Vergessenheit geraten.
4. Jänner 2020, 02:00
Erst vor fünf Jahren wurde sie durch die Neuauflage ihres Debütromans "Die Vergiftung" wiederentdeckt. Jetzt kommt auch ihr Theaterstück der 1921 uraufgeführte Einakter "Der Henker" wieder zu Ehren und wird im Wiener Akademietheater gezeigt. Die gefeierte slowenische Regisseurin Mateja Koleznik gibt damit ihr Hausdebüt, in der Hauptrolle ist der israelische Schauspieler und Regisseur Itay Tiran zu sehen.
Morgenjournal | 04 12 2019
Das Licht flackert, der Wasserhahn tropft, die Heizung surrt. Es ist recht ungemütlich in der Todeszelle, wo ein psychopatischer Mörder auf seine Hinrichtung wartet. Den priesterlichen Beistand lehnt er ab, die letzte Mahlzeit pfeffert er an die Wand, die Hure verschmäht er. Nur einen einzigen Wunsch hat er: Er möchte seinen Henker kennenlernen.
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Der Henker
Der Henker kommt. Er ist ein einfacher Mann, der statt in scharlachroter Kapuze im braunen Rollkragenpullover und Staubmantel erscheint, und belanglos von seinem Garten, der Frau und dem Sohn erzählt. Ob er Freude an seinem Beruf habe, möchte der Mörder vom Henker wissen. Ob er das gern tue.
Ich tue meine Pflicht
Auf die Antwort, dass er nur seine Pflicht tue, reagiert der Mörder mit Rage. Er - ein vom Ersten Weltkrieg traumatisiertes Opfer ist vom Pflichterfüllen seiner Vorgesetzten ruiniert worden, von der strengen Erziehung des Vaters, den Ohrfeigen des Lehrers, den Demütigungen des Generals. Zumindest bei seinem Tod möchte er mehr sein als eine Nummer, sagt der Schauspieler Itay Tiran.
1920 schon habe Maria Lazar in jeder Szene den Satz "Ich tue meine Pflicht" hineingeschrieben, sagt die Regisseurin Mateja Koleznik - damit habe sie visionär vorweggenommen, was nach dem Zweiten Weltkrieg so viele gesagt haben. Ein Satz, der auch aktuell wieder so häufig zu hören sei, gerade in ihrem Heimatland Slowenien, das an der Balkanroute liegt, und vor allem im Zusammenhang mit dem Grenzschutz. Wenn aber jemand mit einem Gewehr in der Hand das Wort Pflicht ausspreche, sei Vorsicht angesagt.
Déjà-vu auf der Bühne
Das im wahrsten Sinne des Wortes magere Stück von 20 Seiten von Maria Lazar, wertet Mateja Koleznik durch ihre Inszenierung auf, in dem sie durch ständige Wiederholung der Szenen (die immer minimal verändert werden) einen Déjà-vu-ähnlichen Zustand erzeugt. Unablässig schieben sich die immer gleichen Bühnenbilder (Raimund Orfeo Voigt) der Zelle ineinander und ermöglichen einen Perspektivenwechsel.
Der aus Israel stammende Itay Tiran, der sich zu Beginn der Spielzeit mit seiner Inszenierung von Wajdi Mouawads "Vögel" dem Wiener Publikum vorgestellt hat, gibt jetzt sein Debüt als Schauspieler, Mateja Koleznik, die heuer aus gesundheitlichen Gründen ihre Inszenierung bei den Salzburger Festspielen (Gorkis "Sommergäste") absagen musste, gibt ihr Hausdebüt und beweist, dass sie wieder fit ist. Und ob Maria Lazars Drama "Der Henker" mit ihrem wiederentdeckten und gefeierten Roman mithalten kann, das wird die Premiere im Wiener Akademietheater zeigen.
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