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Unternehmenskommunikation

Gegenjournalismus im Firmen-Newsroom

Wirtschaftsjournalisten können von Message Control schon lang ein Lied singen. Auch wenn man das in der Branche bisher nicht so genannt hat. Besonders US-amerikanische Unternehmen gehen mit Journalisten vorsichtig um. In Europa hat man sich da einiges abgeschaut. Zudem stehen immer mehr PR-Leute immer weniger Journalisten gegenüber.

Man schickt zum Beispiel eine Anfrage an eine Bank, die gerade in Schwierigkeiten steckt. Die Antwort per Mail kommt viel zu spät und ist nichtssagend. Dahinter stecke Kalkül, sagt die Aufdecker-Wirtschaftsjournalistin vom "Standard", Renate Graber. "Manchmal kommt es einem so vor, als wären das Strafaktionen mit dem Ziel, dass kritische Geschichten nicht erscheinen." Das sei freilich nicht so, es mache die Arbeit aber schwerer. Fragen würden oft als Unterstellung verstanden, das emotionalisiere und raube kostbare Zeit.

Fragen schicken geht gar nicht

Immer beliebter werde von Seiten mancher Unternehmen auch das Anliegen, Interviews vorab vorzubereiten und schließlich abzusegnen. "Fragen schicken geht gar nicht", sagt Graber. Aber auch bei den für Zeitungen üblichen Autorisierungen von Interviews würden die Begehrlichkeiten immer größer, man will Inhalte verändern, statt nur Fehler korrigieren. Was ebenfalls gar nicht geht. Renate Graber: "Da hat man schon das Gefühl, dass da Gegenjournalismus betrieben wird und versucht wird, Journalisten von ihrem Weg abzubringen."

Ein CEO muss kommunizieren können

In der Public-Relations-Branche sieht man das anders, etwa Peter Thier, er war früher Journalist und ist seit Jahrzehnten Pressesprecher - derzeit für Austrian Airlines: "Das ist ja nicht per se etwas Schlechtes. Wenn ein Unternehmen oder eine Person, das Interesse hat in der Öffentlich gut dazustehen, dazu gehört es ja, dass man kontrolliert kommuniziert." Das Bewusstsein für Kommunikation sei in den Unternehmen enorm gestiegen und viel professioneller geworden, erzählt Thier. Früher habe er für seine Chefs Reden schreiben müssen, heute könne niemand mehr CEO werden, der nicht kommunizieren könne.

Mehr PR-Profis, weniger Journalisten

Die Ansprüche an junge Menschen, die in die PR gehen, werden immer höher, sagt auch Sabine Fichtinger, sie leitet den Lehrgang für PR und Kommunikationsmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Zudem werde das Ungleichgewicht zwischen PR und Journalismus immer größer: "Auf der PR-Seite gibt es ganz viel Personal, auf der journalistischen Seite immer weniger", sagt Fichtinger. Die PR biete einen besseren Service, Journalisten müssten deshalb doppelt wachsam sein.

Unternehmen mit eigener Redaktion

Der Vorwurf des Gegenjournalismus hat durchaus seine Berechtigung. Viele Unternehmen richten sich eigene Newsrooms, also Redaktionen, ein - um selbst zu bestimmen, welche Botschaft nach außen dringt. Das Internet bietet dafür viele neue Möglichkeiten. Newsrooms gibt es zum Beispiel bei der Voestalpine, Siemens oder der Wien Energie. Unternehmen bündeln auf diesem Weg die Kommunikationsarbeit, sagt Fichtinger. Medien bräuchten sie immer weniger. "Die Unternehmen machen selber Fotos, die machen selber Videos, die bespielen ihre Kanäle, wo sie ihre Dialoggruppen erreichen. Wenn dann der Journalist noch über die Bilanzpressekonferenz berichtet, ist alles gut."

Journalismus ist nur die Draufgabe

Zusammenarbeit mit Journalisten wird also zunehmend nur als Draufgabe verstanden. Das bestätigt auch Saskia Wallner, sie leitet die Kommunikationsagentur "Ketchum Publico" und erklärt, wie Kommunikations-Erfolge in den Medien bewertet werden. Für Medienkooperationen, Social-Media-Kampagnen und die eigenen Kanäle wird bezahlt. Berichterstattung in unabhängigen Medien kann man sich hingegen nicht kaufen, die Unternehmen müssen also Journalisten überzeugen, über sie zu berichten. Das sei nur ein Teil ihrer Kommunikationsstrategie, aber die Königsklasse, sagt Wallner.

Werbe-Äquivalente in der Königsklasse

Aber auch Zitate in Qualitätsmedien werden letztlich oft in Geld bewertet, kritisiert die PR-Fachfrau Sabine Fichtinger, Unternehmen rechnen sich das Werbe-Äquivalent der Berichterstattung aus. Fichtinger bringt ein Beispiel: "Man rechnet den gedruckten Beitrag in Werbezeit um und sagt dann, ich habe eine halbe Seite in der Zeitung gehabt und das ist 50.000 Euro wert." Aus Unternehmens-Sicht muss Kommunikation etwas bringen - und wenn sie das nicht kann, muss sie halt auch manchmal vermieden werden. Das zu kontrollieren, ist das Geschäft der Profis. Ein echtes Gespräch zwischen Unternehmen und Journalisten wird zunehmend schwieriger.

"Macht doch euren Job, Journalisten!"

Das Jammern der Journalisten stößt in der PR-Branche aber nur bedingt auf Verständnis. Motto: "Macht doch euren Job", wie es Austrian-Sprecher Peter Thier ausdrückt. Er sei früher wesentlich öfter von Journalisten angerufen worden. "Recherchieren, das persönliche Gespräch, das persönliche Telefonat finden immer seltener statt." Auch die Pressekonferenzen seien schlecht besucht, Journalisten würden ihre Möglichkeiten nicht gut genug wahrnehmen.

Die Good News werden selbst fabriziert

Außerdem hätten Unternehmen gelernt, dass sich Journalisten nicht für gute Nachrichten interessieren, sagt Saskia Wallner von "Ketchum Publico". Tendenziell sei es so, dass Information für Journalisten "spannend sein muss, aufregend, aktuell und relevant und irgendwie kontroversiell", bedauert Wallner. Also kommunizieren die Unternehmen die Good News eben selber. Das ist auch das Geschäftsprinzip von Dominik Sinnreich, er leitet die Kommunikationsagentur "Newsroom" und bringt Unternehmen bei, wie Redaktionen zu denken. Von Gegenjournalismus will er nichts wissen: "Kein Unternehmen, keine Partei, keine NGO soll arbeiten wie Journalisten. Sie sollen aber arbeiten wie Redakteure. Der Schlüsselpunkt ist die Absendertransparenz."

Die Zaubertricks der PR sportlich sehen

Entscheidend aus Sicht der Journalisten ist, wie Unternehmen auf Kritik reagieren. Da wird klar, wie professionell die Kommunikation wirklich ist. Saskia Wallner: "Wenn man sich seiner Sache sicher ist über die guten Dinge, die eine Organisation zu bieten hat, dann kann man darüber auch einen kritischen Dialog führen." Auch Dominik Sinnreich meint, Journalisten sollten sich nicht beklagen, dass Unternehmen etwa auf YouTube sind. Das erhöhe die Transparenz, und Journalisten könnten mit den Inhalten arbeiten und sie einordnen. "Der Trick eines Zauberers besteht darin, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Die Aufgabe der Journalisten besteht darin zu suchen, wovon der Zauberer gerade ablenken will, und da hinzuzeigen."

Recherchieren gegen die Ohnmacht

Eine Aufgabe, die in immer kleiner werdenden Redaktionen umso schwieriger wird, je besser die andere Seite das redaktionelle Geschäft versteht. Message Control sei ein Ohnmachtsgefühl der Journalisten, nicht der PR, sagt Austrian-Sprecher Peter Thier. Message Control - oder wie auch immer man die kontrollierte Form der Kommunikation nennt - ist jedenfalls längst zum Standard geworden, ist Renate Graber überzeugt. Da bleibe nur eines: "Weiter recherchieren."

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