ORF/JOSEPH SCHIMMER
Radiokolleg
Gedankenspiele zum eigenen Leben
Was wäre, wenn Angestellte ihren Arbeitsplatz im World Trade Center am Morgen des 11. September nicht betreten hätten? Wenn nicht ein Unfall die Karriere beendet hätte. Oder der Mann, den man drei Jahre später geheiratet hat, nicht an dieser einen, schicksalhaften Reise teilgenommen hätte.
27. Jänner 2020, 02:00
"Manchmal ist es ein Glück, das nicht zu bekommen, was man gerne hätte."
Ob das Schicksal alle gleichhobelt, wie Ferdinand Raimund dichtete, bleibt dahingestellt. Die einen hadern lange mit dem, was ihnen widerfahren ist, die anderen machen das Beste draus. Die einen fühlen sich als auserwählt, wenn ihnen die Vorsehung günstig gestimmt ist, die anderen sehen den glücklichen Zufall als Auftrag, etwas weiterzugeben.
"Manchmal ist es auch ein Glück, das zu bekommen, was man nicht haben will."
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Radiokolleg | 31 12 2020
Die Frage "Was wäre wenn?" lädt zum Spekulieren und Philosophieren ein: gibt es den Zufall oder ist alles vorbestimmt?
Ein Traumgewinn
"Ich sehe das nicht so sehr rückblickend, was wäre wenn ich da etwas anders gemacht hätte. Sondern eher so: Ich bin noch nicht in dem Leben", sagt Anton Sutterlüty, ein Gewinner der Millionenshow.
Wer im Damals verbleibt, setzt das jetzige Leben mit einem Parallel-Leben in Vergleich. Menschen, die mit dem Heute hadern, überlegt Anton Sutterlüty, tun das womöglich öfter. Sein Leben ist ein Spaziergang, vorbei an geschlossenen Türen, hinein in die, die offen waren.
Und das, was von außen als große Zäsur wahrgenommen wird: der Gewinn vor bald 19 Jahren in der „Millionenshow“, hat sich für ihn als eine Art Synergie dargestellt. Ein Momentum im Leben, in dem all das, was er bisher getan und gedacht hat, auf wundersame Weise zusammenkam.
"Ich hatte gar nicht das Gefühl, das der Gewinn mein Leben jetzt total verändert", erzählt Sutterlüty.
Mit den - damals - zehn Millionen Schilling gönnte er sich vor allem zwei Dinge: Zeit. Mehr Zeit für die Kinder und Zeit für die Weiterentwicklung seiner Herzensanliegen. Als Kunstvermittler konnte er sich jetzt den Luxus leisten, ein Atelier anzumieten und sich ohne finanziellen Druck Gesangsunterricht oder dem Entwickeln seiner Performancekunst hingeben. Das, was er vor der Millionenshow erarbeitet und erlebt hat, hat für ihn genauso viel verändert wie der Gewinn selbst.
Ein Zusammenbruch verändert das Leben
"Ein paar Tage nach meinem 40. Geburtstag bin ich aufgewacht und hab den Kopf nicht mehr vom Kissen gekriegt und war einfach halbtot. Es ging gar nichts mehr. Das hat sich schon vorher abgezeichnet mit Panikattacken, totaler Erschöpfung - ich weiß auch nicht mehr, was genau der Auslöser war", erzählt Barbara Achleitner von ihrem Zusammenbruch.
In den folgenden zwei Monaten schlief Barbara Achleitner hauptsächlich, begann eine Therapie und konnte erst fünf Monate nach dem Zusammenbruch wieder arbeiten.
Als es ihr wieder besser ging begann sie zu entrümpeln: weniger Sozialkontakte, weniger Unternehmungen, mehr Ruhe, mehr Stille. Viele im Umfeld verstanden nicht, was mit ihr los war - ein Zeitpunkt, in dem sie auch den Bekanntenkreis reduzierte.
Wie Phönix aus der Asche beschreibt Barbara Achleitner das Danach nach dem großen schwarzen Loch.
"Wenn das nicht passiert wäre, wüßte ich nicht wo ich jetzt wäre, vielleicht im Irrenhaus. Meine ganze Einstellung zum Leben hat sich geändert. Und wäre das nicht passiert, hätte ich mir mit allem was danach kam schwerer getan", sagt Achleitner.
Eine nicht geplante Entscheidung verändert alles
Gaby Strasky war Buchhalterin in Österreich, arbeitete in internationalen Firmen, aber wollte auch im Ausland leben: zu den USA hatte sie immer eine Affinität. Übers Internet lernte sie nach einer gescheiterten Ehe in der Heimat einen Amerikaner kennen. Man traf sich einmal in Kalifornien, sie flog zurück, man blieb in Kontakt, nach weiteren Monaten der Online-Bekanntschaft zog sie zu ihm.
"Das war gar nicht geplant. Ich bin nach Amerika und hab ihm gesagt, bevor ich nicht eine Green Card hab, möchte ich gar nicht arbeiten. Mein damaliger Lebensgefährte hat gesagt, das ist kein Problem. Nach einer Woche ist sein Buchhalter davongelaufen und ich habe die Buchhaltung gemacht. Er war der IT-Mensch einer Partnervermittlung und die haben Fotos geschickt und wir haben sie eingescannt und dann dem Profil hinzugefügt", erinnert sich Gaby Strasky.
So rutschte Gaby Strasky in die Partnervermittlungsbranche und konnte sich bald nicht vorstellen, beruflich etwas Anderes zu machen. Und wie sich herausstellte, war nicht der Mann, sondern der neue Beruf die große Liebe.
Heute betreibt sie erfolgreich den Blog „Wahre liebe.jetzt“. Was in ihr steckt, hat sie trotz zerbrochener Beziehung dem ehemaligen Lebenspartner zu verdanken. Rückblickend hält sie es mit dem Dalai Lama: "Manchmal ist es ein Glück, das nicht zu bekommen, was man gerne hätte – und im Umkehrschluss ist es manchmal auch ein Glück, das zu bekommen, was man nicht haben will."