Frau und Roboter

AP/FRANK AUGSTEIN

Matrix

Künstliche Intelligenz am Biertisch

Automatisierte Entscheidungsfindung, KI in der Medizin oder bei Sprachassistenzsystemen - Künstliche Intelligenz hat im Jahr 2019 nicht nur viele Konferenzen und Technikfestivals geprägt, sondern auch immer mehr unserer Lebensbereiche.

Der Funke ist übergesprungen und das haben wir der Künstlichen Intelligenz zu verdanken, resümiert Gerfried Stocker, Leiter des Medienkunstfestivals Ars Electronica. Das Thema KI habe es geschafft, dass die breite Gesellschaft sich mit der Digitalisierung auseinandersetzt.

„Wenn wir über Big Data, Industrie 4.0 und Virtual Reality diskutiert haben, war die erste Reaktion der meisten abwehrend: Kenn mich nicht aus, geht mich nix an, sollen sich die Experten damit beschäftigen“, erinnert sich Gerfried Stocker. „Aber über Künstliche Intelligenz redet man auch im Gasthaus am Biertisch und das ist auch gut so. Wir holen damit ein Versäumnis auf, denn wir haben als Gesellschaft viel zu lange das Thema digitale Revolution ignoriert.“

Gerfried Stocker

Gerfried Stocker

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Hey Siri, red zurück!

Künstliche Intelligenz ignorieren geht nicht mehr, schließlich gehorcht, plaudert und steht sie als digitales Sprachassistenzsystem schon in vielen unserer Wohnzimmer. Siri, Alexa und Co spielen Musik ab, erzählen uns den Wetterbericht oder stellen den Timer und das immer freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Und auch wenn sie beschimpft oder sexuell belästigt werden, reagieren die digitalen Dienerinnen, bei denen die weibliche Stimme fast immer voreingestellt ist, so wie es ihnen von Männern beigebracht wurde, nämlich unterwürfig.

Das ist ein Problem, findet nicht nur die britische Forscherin und Künstlerin Coral Manton. Die unterwürfigen Sprachassistentinnen verstärken alte Geschlechterrollen, gegen die wir Frauen so lange angekämpft haben, sagt die britische Forscherin, lediglich 13 Porzent Frauen arbeiten in Unternehmen im Bereich Machine Learning. Auch die UNO hat in einem Bericht die Frauenfeindlichkeit der Sprachassistenzsysteme kritisiert. Beim Projekt "Women reclaiming AI" entwickelt Coral Manton daher mit Frauen Sprachassistenzsysteme, die nicht demütig dienen, sondern auch Humor und Stärke beweisen. Denn was bedeutet es zum Beispiel für Kinder, die von klein an mit einer immer paraten unterwürfigen Frauenstimme aufwachsen?

Über mögliche Nebenwirkungen von Technik informieren

Über mögliche digitale Nebenwirkungen müsse man sich schon vorab Gedanken machen, bei der Entwicklung und beim Design der Technologie, das fordert auch Sarah Spiekermann, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der WU Wien.

Die frauenfeindlichen Siris und Alexas und ihre möglichen Auswirkungen stehen stellvertretend für viele Bereiche, in denen KI-Systeme unseren Alltag verändern. Zum Beispiel, wenn wie beim österreichischen Arbeitsmarktservice geplant, künftig Algorithmen über weitere Förderungen für Arbeitssuchende entscheiden. Oder wenn einfache juristische Fälle künftig an KI-Systeme ausgelagert werden und man mit einem Klick seinen Nachbarn verklagen kann. Oder wenn selbstfahrende Autos entscheiden, wann sie bremsen und wann nicht.

Es braucht Verpackungsbeilagen für digitale Produkte, fordert Spiekermann: „Darauf sollte stehen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es Fehler im System gibt, welchen Grad der Richtigkeit das System erreicht das System oder mit welcher Wahrscheinlichkeit ist das Foto authentisch?“

Ethik für KI

Die Europäische Union hat 2019 Ethik-Leitlinien für KI vorgelegt. Auch Sarah Spiekermann arbeitet mit dem internationalen Ingenieursverband IEEE am Integrieren von Werten. Schon zu Beginn eines Projekts sollten also Fragen gestellt werden, zum Beispiel wie sich ein Sprachassistenzsysteme oder ein Roboter auf Kinder auswirken, appelliert Spiekermann.

„Durch das frühe Fragen - wozu, warum oder warum auch nicht - können wir Technikvisionen entwickeln, die zum Guten des Menschen getuned sind.“ Also: Weg von hier ein Knöpfchen, dort eine Taste, hin zu Technik und Künstlicher Intelligenz, die mehr menschelt.

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