Kardinal Christoph Schönborn

APA/EXPA/MICHAEL GRUBER

Auftrag, Bürde, Gottvertrauen

Kardinal Christoph Schönborn wird 75

Ob als Erzbischof von Prag, als Fürstbischof in Würzburg oder als Kurfürst von Mainz: Mitglieder der gräflichen Familie Schönborn haben seit Jahrhunderten die Geschichte Europas in unterschiedlichen Funktionen mitgeprägt, auffallend oft in kirchlichen.

Ein akustischer Streifzug durch ihre Familiengeschichte führt auch nach Wien, wo der gegenwärtige Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, im Jänner seinen 75. Geburtstag begeht - und, wie für Diözesanbischöfe in diesem Alter vorgeschrieben, dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. Eine Entscheidung steht noch aus. Für Gott und die Menschen Zeit zu haben bleibt jedenfalls für den Kardinal Lebenssinn, ob im "Ruhestand" oder nicht, das bekannte er vor Kurzem.

Geboren in Mähren, aufgewachsen in Schruns

Geboren wurde Christoph Maria Michael Hugo Damian Peter Adalbert Schönborn am 22. Jänner 1945 auf Schloss Skalken im böhmischen Leitmeritz/Litoměřice. Kurz darauf wurde seine Familie vertrieben und war jahrelang ohne feste Bleibe. Sein Vater, der Maler Hugo-Damian Schönborn, war zuvor schon als Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten zu den Briten desertiert. Seine Mutter, Eleonore Schönborn, geb. Doblhoff, musste die kleine Familie durchbringen und fand eine Anstellung bei einer Vorarlberger Textilfirma. So wuchs Christoph Schönborn in Schruns im Montafon auf, wo auch sein jüngerer Bruder, der Schauspieler Michael Schönborn, geboren wurde. 1958 ließen sich die Eltern scheiden.

Nach der Matura trat Christoph Schönborn 1963 in den Dominikanerorden ein und studierte Theologie und Philosophie in Deutschland, Frankreich und Österreich. Einer seiner Lehrer war Joseph Ratzinger - später Präfekt der Glaubenskongregation und danach Papst Benedikt XVI. -, wohl mit eine Ursache dafür, dass Schönborn 1987 Redaktionssekretär des Weltkatechismus der katholischen Kirche wurde.

Reformprozess initiiert

1970 zum Priester und 1991 zum Bischof geweiht, war Schönborn zunächst Weihbischof der Erzdiözese Wien. 1995 folgte er Kardinal Hans Hermann Groër als Wiener Erzbischof nach - und stand damit an der Spitze einer Landeskirche, die durch den "Fall Groër" in allerschwerste Turbulenzen geraten war. Erzbischof Schönborn, seit 1998 Kardinal, musste erst Tritt fassen, sollte sich aber als glaubhafter und empathischer Seelsorger und international vernetzter Mitgestalter der römisch-katholischen Weltkirche sowie auf mitunter unerwartete Weise im Sinne der Ökumene, besonders in Richtung der Orthodoxie, profilieren.

Von ihm initiierte Projekte wie der große Reformprozess in der Erzdiözese Wien, aber etwa auch die Öffnung des Wiener Stephansdoms zum Welt-Aids-Tag, sorgten für Aufsehen und Diskussionen. Im November 2019 wiederholte Schönborn an der Universität Wien seine These, dass "geschlossene Systeme" und überhöhte Autorität von Priestern Mitursachen für sexuellen und spirituellen Missbrauch in der katholischen Kirche seien.

Rückkehr nach Retz?

Nachdem Schönborn im Frühjahr 2019 seine Prostatakrebserkrankung bekannt gegeben hatte, vertrat er diesen Herbst die österreichische katholische Kirche bei der Amazonien-Synode im Vatikan und wurde ins Redaktionskomitee für das Schlussdokument berufen: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie. Die persönlichen Wege werden Pater Christoph wohl eines Tages zurück in die Nähe der Dominikaner führen, ins Umfeld des Wiener Klosters und ins frühere Dominikanerkloster in Retz, wo er bereits jahrelang gelebt und eine Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter Turrini gepflegt hat.

"Memo", "Logos" und "Lebenskunst" haben sich auf die Spuren jenes Ordensmannes begeben, der nicht nur Kardinal, sondern auch Krisenmanager seiner Kirche wurde und für manch herzerwärmende Überraschung gut ist.

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