BETTINA FRENZEL
Theater
Jelineks "Werk" im Kosmos Theater
Wie witzig das Grausame und wie poetisch das Monströse sein kann - das zeigt das Wiener Kosmos Theater in einer starken Produktion von Elfriede Jelineks Stück "Das Werk".
8. Februar 2020, 02:00
Im November jährt sich zum 20. Mal die Brandkatastrophe am Kitzsteinhorn, wo beim Brand der Standseilbahn in Kaprun 155 Menschen ums Leben kamen. Diese Katastrophe verknüpft die österreichische Autorin und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in ihrem Stück "Das Werk" mit dem Kraftwerksbau von Kaprun, bei dem Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ums Leben kamen. "Das Werk" wurde 2003 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet, war in der Inszenierung von Nicolas Stemann am Burgtheater und bei den Salzburger Festspielen zu sehen, und kommt jetzt in einer neuen Inszenierung im Wiener Kosmos Theater zur Aufführung.
Morgenjournal | 08 01 2019
"So schleppt halt eure Steine"
"So schleppt halt eure Steine, wenn ihr müsst, schleppt sie fort, schleudert sie nicht hinab, sondern legt sie ordentlich hin. Es soll ja ein Damm werden. Man wird euch schon sagen, was ihr machen sollt."
Massiv und gewaltig wie eine Staudamm-Mauer ist das Werk von Elfriede Jelinek - das Gesamtwerk, versteht sich. An ihm arbeitet sich das literarische Quartett ab, das da zu Beginn des Stückes im trauten Studio-Gespräch zusammensitzt.
BETTINA FRENZEL
Vor einem riesigen Alpenpanorama und in schrecklichen 80er-Jahre-Kostümen versuchen die drei Literaturkritikerinnen und ein Kritiker Jelinek beizukommen - in gestelzter Redeweise und unerschütterlicher Selbstherrlichkeit.
Literarisch-komischer Rahmen
In diese literarisch-komische Rahmenhandlung bettet die Schweizer Regisseurin Claudia Bossard Jelineks Stück "Das Werk". Es ist der zweite Teil ihrer Alpentrilogie, in der sie die Themen Sport und Tourismus, Tod und Heimat, Schuld und Gedenken, miteinander in Beziehung setzt.
Das Gletscherbahn-Unglück am Kitzsteinhorn, zentrales Thema im Stück "In den Alpen", war für Jelinek ausschlaggebend, sich im darauffolgenden "Werk" mit dem Staudammbau in Kaprun auseinanderzusetzen, der in der Nazizeit und darüber hinaus ebenfalls Menschenleben forderte.
Des Menschen Größenwahn und Gier
"Im Stück 'Das Werk', sagt die Regisseurin Claudia Bossard, "geht sie in der Metaphern noch einen Schritt weiter, es geht um den Faust'schen Mensch, den Größenwahnsinn, den Anspruch die Welt zu beherrschen, die Natur zu erklimmen, die Berge zu besitzen und alles, was sie 'In den Alpen' anspricht, das treibt sie hier in die Maßlosigkeit."
In 160 Seiten Fließtext hat Jelinek im Werk wie eine Textmauer aufgebaut, über den Ursprung des Bösen, den Größenwahn und die Gier. Und auch hier stellt sie wie in so vielen Werken einen Bezug zu 9/11 her, - zum Voyeurismus und zur Zeugenschaft zum Katastrophenkonsum und zur Abgestumpftheit.
Im Sog der Sprache
Der Text, mit dem sich Bossard schon in zwei wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt hat, habe 17 Jahre nach seiner Uraufführung eine brennende Aktualität. "Unglaublich, was an der Klimakatastrophe fast schon prophetisch angesprochen hat."
Das schöne Alpenpanorama wird im Laufe des Abends buchstäblich brüchig, immer wieder wummert ein Kreuzfahrtschiff vorbei, und die Wissenschaftler geraten immer tiefer in den Sog der Sprache.
Wie witzig das Grausame, wie poetisch das Monströse und wie stark eine Produktion in einem kleinen Theater sein kann, das hat zumindest die gestrige Generalprobe im Wiener Kosmos Theater gezeigt.