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Journal Panorama
Suizidprävention: Lasst uns reden!
Im Jahr 2018 sind in Österreich 1.209 Personen durch Suizid gestorben, etwa drei Mal so viele wie bei Verkehrsunfällen. Die Zahl sinkt kontinuierlich, dennoch ist bei Österreichs Jugendlichen und Erwachsenen bis vierzig Suizid die zweithäufigste Todesursache nach Krebs.
6. März 2020, 02:00
Nach Angaben der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, sterben jedes Jahr weltweit 800.000 Menschen durch Suizid. Das bedeutet, dass es alle 40 Sekunden zu einer Selbsttötung kommt.
Keine monokausale Erklärung
Die Auslöser von psychosozialen Krisen sind meist kränkende, verunsichernde und belastende Lebensereignisse. Sehr oft geht es um Partnerschaftskonflikte, Probleme im familiären Umfeld oder im Arbeitsbereich, aber auch um Krisen nach Todesfällen oder Gewalterfahrungen. Sehr häufig vor dem Hintergrund psychischer Erkrankungen.
Rückzug, Depression und Hoffnungslosigkeit können dazu führen, dass Menschen so verzweifelt sind, dass sie einen Suizid erwägen. Aber nie gibt es nur einen einzigen Auslöser für eine suizidale Krise. Niemand begeht eine Selbsttötung aussschließlich wegen eines Fünfers im Schulzeugnis oder etwa aufgrund einer Trennung. Immer kommen mehrere Faktoren zusammen, die irgendwann eine Krise auslösen.
Am wichtigsten ist es für Betroffene, möglichst unbürokratisch, niederschwellig und rasch Hilfe zu bekommen. Die Menschen müssen über ihre Probleme sprechen können, sich jemandem anvertrauen, denn in suizidalen Krisen sind die meisten Menschen sehr einsam. Das Team der Krisenintervention, der psychosoziale Notdienst Wien, die Telefonseelsorge und "Rat auf Draht" bieten Hilfe an. Rund um die Uhr. Am Telefon oder online - anonym und kostenlos.
Thomas Niederkrotenthaler, Suizidforscher der Med Uni Wien, betont:
Es ist wahrscheinlich die wichtigste Ingredienz überhaupt in der Suizidprävention: Das Zuhören und das Miteinandersprechen.
"Wann immer der Eindruck entsteht", so Niederkrotenthaler weiter, "dass das Gegenüber, sei es im beruflichen Umfeld, sei es im privaten, persönlichen Umfeld, an Suizid denken könnte, dann macht es Sinn, nachzufragen."
Täglich drei Anrufe bei "Rat auf Draht"
Suizid ist die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 24. Im Jahr 2018 haben in Österreich 19 Minderjährige Suizid begangen. Viele Erwachsene glauben rückblickend, dass die Kindheit und die Jugend "die schönste Zeit im Leben" sei. Doch Erwachsenwerden ist nicht leicht.
Der Druck auf die heute Heranwachsenden ist enorm: In der Schule, im Freundeskreis, oft auch zu Hause. Das führt bei vielen zu Unsicherheiten, Ängsten, Erfolgsdruck und womöglich kommt noch erster Liebeskummer dazu. Die Folge können suizidale Gedanken sein.
An "Rat auf Draht", die wichtigste Notruf-Hotline für Kinder und Jugendliche in Österreich, wenden sich - statistisch gesehen - täglich drei Personen mit Suizidproblematiken: Direkt betroffene Kinder und Jugendliche, aber auch Lehrer, Erziehungsberechtigte oder Freunde, die sich um jemanden Sorgen machen.
Im Vorjahr stieg die Zahl der Telefon-Beratungen um mehr als acht Prozent. Tendenz weiter steigend. Bei der Helpline mit der Notrufnummer 147, die es mittlerweile seit zwanzig Jahren gibt, arbeiten ausschließlich professionelle Therapeuten, Psychologen, Lebens- und Sozialberater sowie ein Jurist. Der Bedarf ist groß: 2018 gab es rund 75.000 Telefonkontakte.
Heute ist Welttag der Suizidprävention. Die WHO begründet die Ausrufung dieses Aktionstages damit, dass Suizid eines der...
Gepostet von 147 Rat auf Draht am Dienstag, 10. September 2019
Save and Empower Young Lives in Austria
Im Rahmen des Projekts "Save and Empower Young Lives in Austria" wurden in den Bundesländern Tirol, Wien, Oberösterreich und der Steiermark 6.000 Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 17 Jahren befragt - über ihre Stärken und Schwächen, über ihr Wohlbefinden und wie sie Stress bewältigen. Dabei gaben 26 Prozent an, dass sie im letzten Jahr Gedanken an Suizid hatten, 15 Prozent berichteten sogar über konkrete Suizidpläne.
An einigen Schulen in Österreich gibt es spezielle Suizidpräventionsprogramme - etwa "lebenswert" in Salzburg, "Youth aware of mental health" in Tirol oder "wellenreiten" in Vorarlberg. Fixer Bestandteil von Lehrplänen ist die Suizidprävention aber nicht.
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Stigmatisierung am Land größer
Für Menschen, die in ländlichen Gebieten wohnen, ist es oft noch schwerer, sich in suizidalen Krisen helfen zu lassen: Auf dem Land kommt es schnell zu Stigmatisierungen, da sich in Dorfgemeinschaften die meisten untereinander kennen und deshalb psychische Probleme besonders stark tabuisiert werden. Außerdem sind niederschwellige Hilfsangebote dünner gesät als in der Stadt. Für Personen, die in ländlichen Gebieten wohnen, ist es deshalb besonders wichtig, sich anonym an eine Hotline wenden zu können.
Bei der Suizidprävention kommt aber auch den Hausärzten und -ärztinnen eine wichtige Rolle zu, meint Psychiater Thomas Kapitani von der Kriseninterventionsstelle. Denn 70 bis 80 Prozent der Menschen mit Suizidabsichten, wenden sich vorher noch einmal an ihren Hausarzt. Der sollte, wenn ihm eine Veränderung an seiner Patientin, seinem Patienten - die er oft schon Jahre kennt - auffällt, womögliche Suizidabsichten direkt ansprechen: Haben Sie schon einmal daran gedacht, Suizid zu begehen?
Laut Experten der Krisenintervention und des PSD, des Sozialpsychiatrischen Notdienstes in Wien, kann aber jeder, der sich Sorgen macht, das Thema ansprechen. Man kann dabei nichts falsch machen, beruhigen die Experten. Wenn man sich um Angehörige oder Freunde ängstigt, sollte man ohne Tabus die betroffene Person direkt nach Suizidabsichten fragen. Sagen, dass man sich Sorgen macht. Dass man helfen möchte - und dann schnell professionelle Hilfe vermitteln.
Claudius Stein, Psychotherapeut der Krisenintervention Wien, sagt:
Wer sich an uns wendet, ist in so einer Situation trotzdem noch zwiespältig.
Solch ein Anruf bedeute einen inneren Kampf zwischen nicht mehr so leben wollen", aber gleichzeitig auch: Irgendetwas möchte ich noch versuchen. Ich will noch nicht sterben. "Das ist eindeutig die Botschaft, wenn jemand anruft und das ist auch unsere Chance."
Männer noch gefährdeter als Frauen
Das Suizidrisiko von Männern ist drei Mal so hoch wie das von Frauen. 2018 starben 950 Männer durch Suizid und 259 Frauen. Ein Grund dafür ist, dass sich Männer schwerer tun, sich jemandem anzuvertrauen und über eine Krise zu sprechen; sich zu öffnen. Besonders gefährdet sind ältere Männer ab 70 Jahren, sagt Suizidforscher Thomas Niedenkrotenthaler von der Med Uni Wien.
Bei Männern kommen fünf Suizid-Versuche auf einen vollzogenen Suizid; bei Frauen 20 Versuche auf einen Suizid.
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Was sensationsgierige Schlagzeilen auslösen können
Medienberichte über Suizid spielen eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Aufklärung und in der Prävention. Sensationsträchtige Medienberichte können nämlich Imitationseffekte und damit weitere Suizide auslösen.
Journalistinnen und Journalisten sollten deshalb keine Details über den Ort oder die Methode eines Suizids transportieren. Viel mehr auf Behandlungsmöglichkeiten und Hilfsangebote hinweisen. Auch die Sprache ist wichtig: So sollte das diskriminierende Wort "Selbstmord" nicht in Zusammenhang mit Suizid verwendet werden, denn es rückt Suizid in Richtung einer kriminellen Handlung. Auch "Freitod" ist ein unglücklich gewählter Begriff in diesem Zusammenhang, da ja niemand eine Selbsttötung aus freien Stücken macht.
Richtiges Berichterstatten über Suizid kann aber nicht nur mögliche Nachahmer abhalten, sondern sogar suizid-präventiv wirken, wie mittlerweile mehrere Studien belegen. Es handelt sich um den sogenannten "Papageno-Effekt". In Wolfgang Amadeus Mozarts Oper "Die Zauberflöte" befürchtet Papageno den Verlust seiner Papagena. Er überwindet seine dadurch ausgelöste suizidale Krise mit Hilfe der drei Knaben, die ihm alternative Lösungen aufzeigen. So kam es zur Bezeichnung "Papageno-Effekt".
Es zeigte sich, dass Berichte, in denen Menschen erzählen, wie sie selbst eine suizidale Krise überwunden haben, oder Berichte über Personen, die nahe Angehörige durch Suizid verloren haben, gefährdeten Personen eine Stütze sein können, um eigene Suizidgedanken zu bearbeiten und Alternativen zum Suizid zu finden. In Österreich verankerte der österreichische Presserat im Jahr 2012 die suizidpräventive Berichterstattung in seinem Ehrenkodex.
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