An die Freude

Textfassung von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1785.

Legende

  • Schiller
  • Beethoven und Schiller
  • Beethoven
  • (Erklärung)

Schiller und Beethoven in direktem Vergleich


O Freunde, nicht diese Töne!
Sondern lasst uns angenehmere anstimmen
Und freudenvollere!
Freude! Freude!


(Diese ersten Zeilen fügt Beethoven ein.)

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

(In einer posthum 1808 erschienen Werkausgabe findet sich eine Bearbeitung der Ode. Hierin ist die letzte Strophe vollständig gestrichen worden. Die erste Strophe wurde leicht verändert. Beethoven verwendet für seine Vertonung in der 9. Symphonie diese Fassung.)

Veränderte 1. Strophe:


Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Chor:
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder - überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.

Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein,
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja - wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer's nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!

Chor:
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet.

Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur;
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Steht vor Gott, vor Gott, vor Gott
(Wiederholung nur bei Beethoven; ab hier deutlicher und abrupter Wechsel der Tonart und des Taktes zu einem "alla Marcia")

Chor:
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt,
Über Sternen muß er wohnen.

Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament3,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt.

Chor:
Froh, froh, wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächt'gen Plan,
Laufet, Brüder, eure Bahn,
Freudig, wie ein Held zum Siegen.
(die letzten beiden Zeilen werden mehrfach wiederholt)

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.


(Erneuter Takt- und Tonartwechsel. Hier fügt Beethoven Schillers ersten und dritten Chor ein (s.o.))

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such' ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen.


(Beethoven wechselt wieder zu Takt und Tonart des Anfangs. Erste und letzte Strophe erklingen nun gleichzeitig.)

Freude, schöner Götterfunken
Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.


(Gleichzeitig:)

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!


(Wiederholung des dritten und ersten Chors)

Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such' ihn überm Sternenzelt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.

Tochter, Tochter aus Elisium!
Freude, Tochter aus Elisium,
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!

Freude schöner Götterfunken,
Schöner Götterfunken!
Tochter aus Elisium!

Freude schöner Götterfunken!
Götterfunken!


Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel stehn.

Chor:
Duldet mutig, Millionen!
Duldet für die beßre Welt!
Droben überm Sternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.

Chor:
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Richtet Gott, wie wir gerichtet.

Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut – –
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
Dieses Glas dem guten Geist.

Chor:
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs4 Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält es Gut und Blut, –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!

Chor:
Schließt den heilgen Zirkel dichter,
Schwört bei diesem goldnen Wein:
Dem Gelübde treu zu sein,
Schwört es bei dem Sternenrichter!

Rettung von Tyrannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die Toten sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein,
Allen Sündern soll vergeben,
Und die Hölle nicht mehr sein.

Chor:
Eine heitre Abschiedsstunde!
Süßen Schlaf im Leichentuch!
Brüder - einen sanften Spruch
Aus des Totenrichters Munde!

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