Friedrich Hölderlin, Anschnitt

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Friedrich Hölderlin

"Eines zu sein mit Allem, was lebt"

Dimensionen zum 250. Geburtstag des Dichterphilosophen Friedrich Hölderlin am 20. März.

Für den Philosophen Martin Heidegger war Friedrich Hölderlin jener Schriftsteller, dessen Werk "von einer dichterischen Bestimmung getragen ist, das Wesen der Dichtung eigens zu dichten". Was er in seinen literarischen und philosophischen Werken geschaffen hat, zählt zu den Höhepunkten der deutschen Literatur und der Philosophie. Als "Dichter in dürftiger Zeit" sah Hölderlin seine Aufgabe darin, die Utopie einer künftigen Epoche zu entwerfen - ein neues Reich, wo die Schönheit Königin ist.

Ein Reich, wo die Schönheit Königin ist

Die Schönheit stand auch im Zentrum von Hölderlins philosophischem Werk. Bereits während seiner universitären Ausbildung im Stift von Tübingen pries er die Schönheit, die das Ewige mit dem Zeitlichen, Vernunft und Sinnlichkeit, Theologie und Wissenschaft versöhnt. Die Voraussetzung dafür war eine These, die er mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling im Tübinger Stift entwickelte. Die zentralen Gestalten des deutschen Idealismus entfalteten ein gemeinsames Philosophieren - eine "Symphilosophie".

Friedrich Hölderlin

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Mit Hegel und Schelling in Tübingen

Die "Vereinigungsphilosophen" träumten von einer Welt, in der der "Geist ins Leben übergeht", einer Zukunft ohne politische Gewalt und ohne Abstraktionen des Rechts. Die "Maschine" des Staates, der "freie Menschen als ein mechanisches Räderwerk behandelt", solle aufhören, heißt es in dem Manifest.

Sobald das mechanische Räderwerk des Staates aufhöre, davon waren die Symphilosophen überzeugt, begänne ein neues Zeitalter. Da werde alles Bedrängende und Bedrückende abgeschüttelt, alle überkommenen Gegensätze überwunden. "Eines zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden."

Eines zu sein mit Allem

In seinen philosophischen Schriften und im Briefroman "Hyperion oder Der Eremit in Griechenland" bezog sich Hölderlin auf diese "allumfassende Gottheit". Diese Einheit ist in der Neuzeit verloren gegangen; der Verantwortliche für den Sündenfall ist René Descartes, der eine Teilung der Welt in Subjekt und Objekt, in eine res cogitans und eine res extensa vornahm. Dadurch wurde die ursprüngliche Einheit zwischen Mensch und Natur zerstört. Die Reflexion vertrieb den Menschen aus dem paradiesischen "Urzustand" und setzte ihn dem Dressurakt der Rationalisierung aus, der für die Unterdrückung der Triebe, der Emotionen, der Fantasie und der Träume verantwortlich ist.

Wut und Höflichkeit

Die Fixierung auf die Rationalität bewirkt bei Hyperion, dem Protagonisten des gleichnamigen Romans, ein desaströses Ergebnis: "Ich bin bei euch so recht vernünftig geworden, bin so ausgeworfen aus dem Garten der Natur, wo ich wuchs und blühte, und vertrockne an der Mittagssonne." Diese prophetischen Zeilen nahmen Hölderlins künftiges Schicksal vorweg. Er verbrachte seine zweite Lebenshälfte im Haushalt der verständnisvollen Tischlerfamilie Zimmer in Tübingen. Besucher/innen empfing er mit ausgesuchter Höflichkeit; er redete sie mit "Herr Baron" oder "Eure Heiligkeit" an.

Diese Phasen wechselten mit heftigen Wutausbrüchen, die sich in unaufhörlichem Gehen, Gestikulieren, Schreigesängen und Echolalien äußerten. Manchmal schrieb Hölderlin noch kurze Gedichte, die er mit Scardanelli signierte: "Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen / Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! Verflossen / April und Mai und Julius sind ferne / Ich bin nichts mehr; ich lebe nicht mehr gerne!"

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