
MORITZ SCHELL
Depression auf der Bühne
"Der Sohn" in den Kammerspielen
Depression ist eine in Österreich weit verbreitete Krankheit, an der jeder Vierte einmal in seinem Leben erkrankt. Trotzdem ist es ein Tabuthema - auch in der Kunst, am Theater zum Beispiel, hat sich damit noch kaum jemand auseinandergesetzt. Ein Stück, dass sich der Depression eines Jugendlichen widmet, ist jetzt in den Kammerspielen der Josefstadt zu sehen: "Der Sohn" vom französischen Dramatiker und Shootingstar-Autor Florian Zeller.
28. März 2020, 02:00
Nach dem Alzheimerstück "Der Vater" und der Beziehungskomödie "Die Kehrseite der Medaille" (beides in der Regie von Alexandra Liedtke) ist "Der Sohn" bereits das dritte Stück des 41-Jährigen, das man in den Kammerspielen zeigt. Regie führt Stephanie Mohr. Premiere ist am Donnerstag.
Morgenjournal | 26 02 2020
Nicholas ist 17 und in der Pubertät. Die Eltern haben sich getrennt, die Mutter ist mit seinem Verhalten überfordert, und als sich herausstellt, dass er seit drei Monaten nicht mehr in der Schule war, nimmt sich der Vater der Sache an. Er lässt Nicholas bei sich und seiner neuen Familie, der jungen Frau und seinem Baby einziehen und ist sicher, den Burschen schon bald wieder auf Schiene zu bringen. "Alles wird gut" redet er sich ein.

Noch scheint die Welt in Ordnung ... Marcus Bluhm (Pierre), Swintha Gersthofer (Sofia) und Julian Valerio Rehrl (Nicolas)
MORITZ SCHELL
Abwärtsspirale
Aber der Vater täuscht sich. Nicholas ist abwesend und abweisend, traurig und wütend, er fügt sich selbst Verletzungen zu und will nicht mehr leben. Die Eltern, gespielt von Susa Meyer und Markus Blum, sind bemüht aber nicht perfekt, zeigen Verständnis und versuchen auf den verschlossenen Burschen einzugehen, gelangen aber auch an ihre Grenzen.
Regisseurin Stephanie Mohr: "An den Figuren und an der Geschichte finde ich spannend, wie hier vier Leute versuchen, miteinander zu leben, ihr Leben zu organisieren und positiv zu gestalten, was an und für sich schon schwierig ist in Patchwork-Familien, und erst recht erschwert wird, wenn der Jugendliche in eine Depression hineingerät."

... aber der Schein trügt
Langsam und unbemerkt
Die Grenze zwischen pubertärer Verstimmtheit und echter Depression sei oft nicht zu erkennen, so der 22-jährige Julian Valerio Rehrl, der den Sohn spielt. Der Absolvent der Ernst Busch Hochschule ist seit Sommer Ensemblemitglied der Josefstadt, und hat hier zuletzt in "Einen Jux will er sich machen" an der Seite von Johannes Krisch den Lehrbuben Christopherl gespielt.
Diese Rolle verlangt ihm emotional mehr ab. Er sei zwar durch seine Beschäftigung mit dem Thema sensibilisiert worden, aber nicht sicher, ob er eine Depression in seinem Umfeld erkennen würde, so Rehrl. "Weil es oft ganz langsam geht und schwer zu entdecken ist, und weil diese Menschen das auch sehr geschickt verbergen können, um ihr Umfeld in Sicherheit zu wiegen."
Florian Zellers gefühlvoller Blick
Der französische Autor Florian Zeller ist in Frankreich ein literarischer Superstar. Seine Stücke werden am Broadway und am Londoner Westend gezeigt, die Verfilmung seines preisgekrönten Alzheimerdramas "Der Vater" mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle, feierte im Jänner beim Sundance Filmfestival Premiere. Der hohe Wiedererkennungswert seiner Alltagssituationen mag zu seiner Beliebtheit beitragen, aber auch die einfache Sprache, und sein genauer liebevoller Blick auf die Schwächen seiner Charaktere. Zellers jüngstes Stück hat auch einen autobiografischen Hintergrund, der Autor hat einen Stiefsohn, der an Depressionen leidet.
"Ich glaube, dass es wichtig ist, so eine Thematik anzusprechen und auf die Bühne zu bringen, sagt Rehrl. Gerade durch den emotionalen Zugang berühre es die Menschen viel stärker."

Julian Valerio Rehrl (Nicolas), Susa Meyer (Anne) und Marcus Bluhm (Pierre)
MORITZ SCHELL
Wie die Normalität langsam aber stetig zerbröselt, und ein unter den Alltagsteppich gekehrtes Tabuthema in all seiner Schwärze hervorkriecht, das kann man ab Donnerstag in den Kammerspielen der Josefstadt erleben. Leichter Boulevard, schwer bekömmlich.