Aushang der Wiener Staatsoper

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Kulturpolitik

Kulturschaffende im "Coronaschock"

Sämtliche Veranstaltungen, bei denen mehr als 100 Personen in einem geschlossenen Raum zusammenkommen, sind laut behördlichem Erlass zu untersagen. Das kulturelle Leben in Österreich wird dadurch massiv eingeschränkt. Museen, Theater und Opernhäuser sind geschlossen. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus befürchten viele Kunst- und Kulturschaffende eine regelrechte "Einkommenskatastrophe". Ö1 hat recherchiert, mit welchen Auswirkungen zu rechnen ist.

Bereits am Dienstag hat Dominique Meyer mitgeteilt, dass der Staatsoper durch die Schließung ein täglicher Verlust von rund 140.000 Euro bevorsteht, der ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung nicht zu bewältigen sei. Für zahlreiche freischaffende Künstlerinnen und Künstler bedeutet der Erlass einen Verdienstentgang durch entfallene Konzerte, Theatervorstellungen und andere Kulturevents, und wird damit recht schnell zur Existenzbedrohung.

Gerhard Ruiss

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Gerhard Ruiss

"Rettungsschirm" für Betroffene gefordert

Mittwochvormittag hat sich Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren mit einem "dringenden Hilferuf an die Regierung" gewandt. Thomas Drozda, der Kultursprecher der SPÖ, fordert einen "Rettungsschirm" für betroffene Kunst- und Kulturschaffende, und Eva Blimlinger, die Kultursprecherin der Grünen, spricht von raschen Maßnahmen.

Jede einzelne der zahllosen Absagen dieser Tage bringe eine Reihe von Menschen um ihre Einkünfte: "Künstler/innen, technisches Personal, support Personal, die auf Werkvertragsbasis und Auftragsarbeitsbasis arbeiten, für die das Einkommen einen Monat lang wegbricht", sagt Yvonne Gimpel, Vorsitzende der IG Kultur. "Das ist ein Schockzustand", fasst Gerhard Ruiss, Vorsitzender der IG Autorinnen und Autoren die Situation zusammen.

Kompensation nach wirtschaftlichem Modell

Es brauche einen Unterstützungsfonds, der die unterschiedlichen Situationen auffängt und unbürokratisch und schnell Hilfe leistet. Umfangreiche Kompensationen für den Verdienstentgang im Kunst- und Kulturbereich fordert auch Thomas Drozda, Kultursprecher der SPÖ - und zwar nach demselben Modell wie es für Wirtschaftsbetriebe gilt. "Unabhängig davon, ob es kleinere Betriebe sind, Einzelpersonen oder ob es um die Bundesmuseen und Bundestheater geht."

Rasche und möglichst umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen will auch die Grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger in die Wege leiten. Blimlinger kündigt an, die vielfach geforderten Gespräche mit Vertretern aus der Politik, aber etwa auch mit der Bundesmuseenkonferenz, den IGs und allen anderen beteiligten möglichst bald zu führen. Eine Hotline für Betroffene wäre sinnvoll, so Blimlinger.

Absagen in Film und Literatur

Im Fall der abgesagten Diagonale - das Filmfestival des österreichischen Films - sei man zuversichtlich, so CO-Intendant Peter Schernhuber. Hier gebe es schon Signale von Bund, Stadt und Land, nicht hängengelassen zu werden. Warum das Festival ganz abgesagt und nicht etwa auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, erklärt Schernhuber so: "Wir haben einen Saisonbetrieb, es sind Mitarbeiter/innen nur für die Vorarbeitszeit der Diagonale bei uns angestellt. Die stehen uns im Jahresbetreib nicht zur Verfügung. Hinzukommen fixierte Kinostarts. Das heißt, man müsste das Programm zu einem Gutteil neu machen."

Auch im Literaturbereich seien zahlreiche Festivals bereits abgesagt, so Gerhard Ruiss. Daneben sehen sich viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit dem Ausfall von Lesereisen und den damit verbundenen Honoraren konfrontiert. "Pro Einzellesung um 400, 500 Euro, Gruppenlesungen um 250, 300 Euro. Wenn es nur zwei Monate dauert, wird es eine andere Gesamtsumme sein, als wenn es vier Monate dauert."

Verschlossene Türen der Albertina

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Blimlinger: "ORF Corona-Kunst- und Kulturprogramm"

Insgesamt benötige der Kulturbereich wohl einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag, um den Verlust entsprechend abzufedern. Neben der finanziellen Abgeltung steht für Eva Blimlinger aber auch die künstlerische Kompensation zur Debatte. "Ich adressiere an den ORF viele Kunst- und Kulturveranstaltungen zu übertragen. Museumsrundgänge zu machen, vielleicht die Filme der Diagonale zu zeigen, also ein Corona-Kunst- und Kulturprogramm."

Die finanzielle Unterstützung aller Kunst- und Kulturinstitutionen müsse jedenfalls längerfristig gedacht und geplant werden als bis zur Wiederaufnahme der diversen Kulturproduktionen, so Gimpel: "Weil das eine Spirale an Konsequenzen nach sich zieht, wo damit zu rechnen ist, dass wenn mit 4. April alles wieder offen hat, nicht die Besucherströme kommen - so wie es vorher war." Gerhard Ruis glaubt, dass es sehr lange dauern wird, um wieder in den Vollbetrieb zu kommen. "Es ist ja auch die Frage, wie kann ich planen für den April, für den Mai, wenn ich mir nicht sicher sein kann, wie lang die Voraussetzungen so sind wie jetzt."

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