Max Weber

APA/AKG/AKG-IMAGES

Radiokolleg

Der Meisterdenker als Wutbürger

Max Weber, wilhelminischer Modernist und rasiermesserscharfer Analytiker der "entzauberten Welt".

Immerhin, an seiner politischen Positionierung hat er nie einen Zweifel gelassen. "Ich bin ein Mitglied der bürgerlichen Klassen", donnerte er am 13. Mai 1895 in den zum Bersten gefüllten Hörsaal der Freiburger Universität, wo er seine Antrittsvorlesung hielt: "Ich bin ein Mitglied der bürgerlichen Klassen, fühle mich als solches und bin erzogen in ihren Anschauungen und Idealen."

Rasiermesserscharfer Analytiker

Max Weber, preußischer Protestant und rasiermesserscharfer Analytiker der "entzauberten Welt", hat sich zeit seines Lebens als Bürgerlicher verstanden, auch wenn er im Lauf seiner an Misshelligkeiten reichen Biografie so manche Metamorphose durchlebt hat: Politisch wandelte sich der Spross einer Berliner Juristenfamilie vom rabiaten Imperialisten deutschnationaler Prägung zum radikalen Republikaner, der sich 1918/19 in der Deutschen Demokratischen Partei engagierte, einer linksliberalen Formation, die neben der SPD zu den zuverlässigsten Stützen des Weimarer Parteiensystems gehörte.

Und sein Werk? Das präsentiert sich fragmentarisch und zerrissen, wie der Berliner Soziologe Hans-Peter Müller in einer druckfrischen Weber-Monografie hervorhebt ("Max Weber - Eine Spurensuche", Suhrkamp-Verlag). Auch aus diesem Grund ist die 47-bändige Edition der Max-Weber-Gesamtausgabe, 1984 begonnen, noch immer nicht abgeschlossen. "Max Weber ist kein typischer Theoretiker der Moderne, der mit einem Begriff die Welt erklären will", erläutert Müller in seiner Monografie: "Von Großtheorien hält er nichts, weil sie ein überlegenes Wissen vorspiegeln, wo es sich um wilde Spekulationen handelt."

Widerspruch vereint

Als Theoretiker war Max Weber ebenso ein Zerrissener wie als Privatperson. Er vereinte die widersprüchlichsten Eigenschaften in sich. "Max Weber", konstatiert der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube in seiner Biografie, "ist der typische deutsche Gelehrte, was seinen Fleiß, seinen Stil und seine Fußnoten angeht - und ein ›Wutbürger‹, stets geladen gegen seine Zeitgenossen, streitsüchtig, herrisch."

Und heute? Max Weber steht längst im Range eines Klassikers. Der wilhelminische Moderne-Analytiker hat sich unsterbliche Verdienste auf den verschiedensten Themenfeldern erworben. Die Entzauberung der Welt durch die moderne Rationalität, die Geburt des Kapitalismus aus dem Geist der puritanischen Moral, die strikte Trennung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik, all das sind Weber’sche Topoi, die auch dem durchschnittlich gebildeten Menschen in groben Zügen geläufig sind - oder sein sollten.

Soziologischer Klassiker

Wie aber steht es um Webers berühmteste Schrift? In seinem Aufsatz "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", erschienen 1904/05, hat der Beamtensohn aus Berlin-Charlottenburg den Nachweis versucht, dass zwischen protestantischer Arbeitsethik und den Anfängen der kapitalistischen Industrialisierung in Westeuropa ein inniger Zusammenhang bestehe. Alles Unfug, behauptet der Marburger Soziologe Dirk Kaesler in seiner monumentalen Weber-Biografie: Webers Schrift strotze vor historischen und theologischen Fehlern, Belege würden falsch zitiert und suggestiv arrangiert. Kurzum: An der berühmten "Weber-These" sei so gut wie nichts dran. Einerseits. Andererseits stimme sie vielleicht dann doch irgendwie: Sie gehöre, so Kaesler, zu den großen Erzählungen der Moderne und entfalte allein dadurch eine nicht mehr einzudämmende Wirkung.

Webers Protestantismus-Theorem, davon zeigt sich auch Jürgen Kaube überzeugt, wird bis ans Ende aller Tage nicht mehr umzubringen sein: "Das Buch gilt als soziologischer Klassiker selbst bei denen, die kein Wort davon glauben, und es wird von denen zitiert, die kein Wort davon gelesen haben. Es hat alle seine Widerlegungen überlebt." Und wird wohl auch künftige Widerlegungen überleben.

Service

Wikipedia - Max Weber

Gestaltung