ULRICH GRUCHMANN
Talentebörse
Jakob Gruchmann, Komponist
Durch eine "Strafaufgabe" hat er zu seiner Lebensaufgabe gefunden - der 1991 in Salzburg geborene Komponist Jakob Gruchmann fand schon früh zu seiner Leidenschaft. Geprägt wurde der Musiker dabei durch seine ersten Instrumente: das Akkordeon und das Horn.
29. Mai 2020, 14:19
Geboren: 1991 in Salzburg
Aktuelles Studium: Masterstudium Komposition, bei Johannes Maria Staud, Univ. Mozarteum
Mein größter Erfolg: Es ist für mich schwierig, über meine eigene Arbeit selbst von Erfolgen zu sprechen – dies liegt wohl auch daran, dass oft eine Differenz zwischen dem eigenen und dem äußeren Empfinden von Erfolg besteht. Wenn ich dies nun aber nicht zu sehr beachte, würde ich spontan gar nicht den 2007 erreichten 1. Preis beim Wettbewerb „Jugend komponiert“ im Wiener Konzerthaus nennen, sondern die Uraufführung meines ersten abendfüllenden Werkes 2009 mit dem Salzburger Landesjugendorchester unter der Leitung von Norbert Brandauer in der Stiftung Mozarteum mit ca. 10-minütigem anschließenden Applaus bzw. ab 2011 verschiedene Konzerte, wo am Ende meiner Kompositionen manche Zuhörer vor Berührung von der Musik Tränen in den Augen hatten. Ich sehe daher weniger den verliehenen Status als Erfolg an, sondern eher den Moment, wenn meine Musik Wirkung beim Publikum erzielt und damit auf einer höheren Ebene weiterzuleben beginnt…
Was ist Kunst?
Kunst ist für mich das sich Annähern an das Geheimnis des Lebens und damit einerseits die individuelle Verarbeitung von naturgegebenen oder selbstgeschaffenen Gesetzmäßigkeiten sowie andererseits der persönlichste Ausdruck ureigener Erlebnisse und Erfahrungen, die oft ein reflektierender Spiegel gegenwärtigen Zeitgeschehens sind.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Im Alter von vier Jahren hat mich ein alter, die Harmonika spielender Gastwirt so fasziniert, dass ich dieses Instrument unbedingt erlernen wollte. Im Alter von acht Jahren war es dann die zum klingenden Spiel marschierende Blasmusikkapelle, die in mir den Wunsch aufkommen ließ, Horn zu lernen. Nach ersten Kompositionsversuchen – zuerst auf den eigenen Instrumenten, dann für die örtliche Blaskapelle – kam es schließlich zu einer mir sehr viel Freude bereitenden Strafaufgabe im Musikunterricht der 3. Klasse am Musischen Gymnasium: Weil ich ein Herbstlied statt in Moll – um den Lehrer zu provozieren – immer in Dur gesungen habe, bekam ich statt dem Unterrichtsbesuch den Auftrag, für alle in unserer Klasse vertretenen Instrumente ein Ensemblestück zu komponieren. So entstand nicht nur unser bis zur Matura existierendes Klassenorchester, für das ich regelmäßig komponiert habe, sondern ich wurde in der Salzburger Kunstszene auch zunehmend als junger aufstrebender Komponist wahrgenommen.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Wahre Kunst rührt meines Erachtens von einem inneren Drang her – es ist wie eine Berufung zu ihr. Deswegen fühle ich mich der Kunst verpflichtet, egal ob ich es will oder nicht. Entgegen manch historischer Auffassungen sehe ich im Können eine untergeordnete Rolle, da ich als ureigene Kunst bereits die Idee bzw. den Kern eines fertigen Kunstwerks verstehe. Inspiration und auch Kreativität kann höchstens geweckt, aber nicht erlernt oder trainiert werden, wohl aber das den Einfall verarbeitende „Handwerk“.
Wo würden Sie am liebsten auftreten?
Mit einem Freund entdeckte ich vor wenigen Jahren einen wohl vergessenen und extrem tiefen Betonschacht in einem Wald, der aufgrund seiner speziellen Architektur und Bauweise eine unglaubliche Akustik aufweist. Seitdem habe ich immer wieder verschiedene verrückte Ideen zu einem installationsartigen Konzept für die Inszenierung von extra für diesen Schacht geschriebenen Raumkompositionen zu entwickeln begonnen, die aber bisher noch nie fertiggedacht und realisiert werden konnten.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Vor allem vermehrt vernetzend mit Künstler/innen anderer Sparten der Kunst (Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur, …), aber auch speziell mit der großen Ensembleformation des Klangforum Wiens.
Wie viel Markt verträgt die Kunst?
Die Kunst braucht eine Stimme, die in unseren verschiedenen Gesellschaftskreisen intensiv und deutlich gehört werden kann. Dazu ist in unserer Welt ein gewisser Markt für die Kunst nützlich. Auf was allerdings meiner Meinung nach sehr zu achten ist: Dass der Markt die Kunst nicht beeinflusst, denn Kunst ist um der Kunst willen Kunst. Also Markt FÜR die Kunst sollte in gewissem Grad sein, Markt IN der Kunst allerdings ist ein Widerspruch in sich selbst.
Und wie viel Kunst verträgt der Markt?
Ich denke, so viel wie nur möglich. Vorsichtigkeit wäre hier das falsche Signal.
Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?
Auch wenn folgende Worte, die Jesus von Nazareth zu sehr armen Freunden gesagt haben soll, nicht nur in der heutigen Zeit eine extreme Provokation sind, empfinde ich sie doch irgendwie als vorbildhaft und würde mich daher bemühen, mein letztes Geld nicht für meine eigene Notversorgung auszugeben, sondern versuchen, meinen Idealen treu zu bleiben: „Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt! Ist nicht das Leben mehr? Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen. Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Betrachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen!“
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich bin ein Mensch, der sich bisher sehr oft auf Möglichkeiten eingelassen hat, die sich im Leben ziemlich ungeplant ergeben haben. So wäre mir im Alter von 22 zum Beispiel noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich bereits mit 23 Jahren in den Umstand kommen sollte, eine Kompositionsklasse am Konservatorium in Klagenfurt aufzubauen. Deshalb weiß ich, dass alles, was ich jetzt schreiben würde, sicher ganz anders kommen wird. Sollten sich in Zukunft weitere Türen auftun, die der Verwirklichung meiner künstlerischen Visionen neue Horizonte eröffnen, so werde ich durch sie mit großer Sorgfalt gehen und die neuen Aufgaben und Herausforderungen dankbar und abenteuerlustig in Angriff nehmen.
Haben Sie einen Plan B?
Inzwischen nicht mehr. Als noch nicht klar war, ob ich von meiner Tätigkeit als Komponist leben können würde, wäre Plan B Hornlehrer oder Schafzüchter gewesen.
Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?
Vergangene Woche saß ich zum Konkretisieren ein paar ziemlich düsterer Klangkombinationen für meine neue Komposition „Seuchenklage“ am Klavier und verfiel in einen Zustand, indem ich mich selbst und die Welt um mich völlig vergaß. Es war bereits zwei Uhr in der Nacht, als ich entsetzt bemerkte, dass die Fenster geöffnet waren und ihnen direkt gegenüber das Schlafzimmer meines Nachbars lag…
Wollen Sie die Welt verändern?
Indirekt schon, aber zuerst beginnt die Veränderung aktiv an mir selbst und bei dem Kreis, den ich durch meine Kunst erreichen kann. Den globalen Anspruch stelle ich nicht direkt an mich als Einzelperson, allerdings sehr wohl an die junge Generation von Kunstschaffenden, der ich angehöre. Insofern sehe ich mich als Teil einer dynamischen Bewegung, die nicht nur Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen soll, sondern vor allem auch Mut haben muss, entscheidende Dinge zu verändern, wo die Menschheit bisher weitgehend gescheitert ist.