Aschenwolke um schwarzen Kreis

Shin Matsunaga, "No more Hiroshima!", 2007

Stimmen für den Frieden

"Hiroshima Appeals" im Designforum Wien

Im Sommer 1945 kam es zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Wie japanische Grafikdesigner sich mit diesen traumatischen Ereignissen auseinandergesetzt haben, zeigt die Ausstellung "Hiroshima Appeals", die von heute an bis 13. September im Designforum Wien zu sehen ist. 1983 ins Leben gerufen, umfasst die Serie mittlerweile 22 Plakate.

Es war ein wolkenloser Morgen, als am 6. August 1945 die von einem amerikanischen B29-Bomber abgeworfene Atombombe 600 Meter über Hiroshima explodierte.

Die eingebrannte Zeit

Später fand man eine Taschenuhr: die Hitzewelle der Explosion hatte ihre Zeiger genau um 8.15 Uhr auf dem Ziffernblatt festgeschmolzen. Diese Uhr ist, rostig und deformiert, auf dem Plakat von 2009 abgebildet. Es trägt den Titel "A time never to be forgotten" und im linken unteren Eck findet sich die Zeile: "Der Zeitpunkt, als die Menschheitsgeschichte angehalten wurde".

"Einer der wesentlichen Unterschiede zu der Art und Weise, wie Europäer eine derartige Katastrophe aufarbeiten, ist, dass man in Japan das Ereignis darstellt, aber ohne anzuklagen", sagt Martin Fössleitner, Vorstand von designaustria, der die Ausstellung "Hiroshima Appeals" nach Wien geholt hat.

Yusaku Kamekura, "Burning Butterflies", 1983

Unbekannte Berühmtheiten

Das Symbol für die Katastrophe von Hiroshima, das Friedensdenkmal mit seiner charakteristischen Kuppel, ist auf dem Plakat "A Flash of Catastrophe" abgebildet. Der Blitz, der den Bau trifft, glänzt allerdings in den Farben des Regenbogens. Den Entwurf gestaltete der Designer Susumu Endo 2011 angesichts der Reaktorkatastrophe von Fukushima.

Auch wenn sein Name kaum jemandem geläufig ist, gehört Endo, Jahrgang 1933, zu einem der Pioniere des japanischen Grafikdesign. Ähnliches gilt auch für Shin Matsunaga, der niemandem im Westen ein Begriff ist, obwohl jeder schon einmal seine Entwürfe gesehen hat. "Den kennen wir etwa für seine Logogestaltung für Mazda oder Mitsubishi", erläutert Martin Fössleitner.

Das schwarze Loch des Entsetzens

Matsunagas Plakat "No More Hiroshima!" zeigt eine Aschenwolke oder einen zerronnenen Tuschefleck, das lässt sich nicht genau ausmachen, in dessen Zentrum ein schwarzer Kreis prangt. Dazu der Vorstand von designaustria Martin Fössleitner: "Das Entsetzen ist so unfassbar gewesen, dass als einzige grafische Lösung ein schwarzes Loch geblieben ist."

Die Angst vor den Folgen

Die jüngste Arbeit, einfach "Hope", also "Hoffnung" betitelt, zeigt eine Mutter, die schützend ihr Kind umfasst. Sie stammt von Katsuhiko Shibuya, der schon für das Kosmetikunternehmen Shiseido oder den Modeschöpfer Issey Miyake gearbeitet hat. Für Shibuya ist die Katastrophe von Hiroshima eng mit der eigenen Familiengeschichte verbunden.

Katshuhiko Shibuya, "Hope", 2019

"Mein Vater diente im Zweiten Weltkrieg in der Armee und war im August 1945 nahe Hiroshima stationiert", erzählt Shibuya. "Vom Atombombenabwurf war er nicht unmittelbar betroffen, er wurde aber anschließend mit seiner Kompanie in die Stadt entsandt, um bei den Aufräumungsarbeiten zu helfen. Deshalb gab es in unserer Familie immer die Angst vor Spätfolgen, bei meinem Vater, aber auch bei mir, da die Strahlungsschäden ja über Generationen hinweg weitergegeben werden können."

Erinnerung als Teil des Stadtbilds

Letztes Jahr wurde der Plakatentwurf, wie alle seine Vorgänger auch, dem Bürgermeister von Hiroshima übergeben. Dort werden die Plakate dann, Jahr für Jahr zum Teil des Stadtbilds, finden sich an Werbeflächen und Bushaltestellen und sorgen so dafür, dass die Erinnerung an die Katastrophe, die gleichzeitig Friedensaufruf ist, Teil des Alltags wird.

Service

Die Ausstellung im Designforum Wien ist vom 16. Juni bis 13. September 2020 zu sehen.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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