Paulus Hochgatterer

Paulus Hochgatterer - HERIBERT CORN/DEUTICKE

Im Gespräch

Rezept für eine geglückte Kindheit

Der Kinder- und Jugendpsychiater Paulus Hochgatterer nennt als zentralen Faktor einen erwachsenen Menschen - egal ob Frau oder Mann, alt oder jung, ob dick oder dünn, hetero oder homo, ... Sie verstehen schon: wichtiger als alles andere ist, dass er oder sie mit sich und der Welt zurechtkommt.

Er oder sie muss tatsächlich bereit sein, sich erwachsen zu benehmen. Er oder sie muss Verantwortung übernehmen, sich Zeit nehmen, aufmerksam sein – kurz: für dieses Kind da sein. Auf Englisch ist von „one caring adult“ die Rede, auf Deutsch könnte man „ein sich kümmernder Erwachsener“ sagen.

Man füge reichlich Liebe hinzu, Einfühlungsvermögen, je eine gute Prise Gelassenheit und Humor, und dann noch einen Esslöffel Fantasie. Denn gute Geschichten sind nicht unerheblich, aber dazu später. Eine der wichtigsten Zutaten überhaupt, so Hochgatterer, sei Freiheit.

Kinder brauchen Freiheit

Kinder brauchen möglichst viel Freiheit. Allen voran die Freiheit von Gewalt, Unterdrückung und Sadismus. Verschwunden ist Gewalt, die Kindern angetan wird, nicht; immerhin ist sie rückläufig, die „gesunde Watsche“ längst nicht mehr salonfähig.

In seiner Klinik in Tulln behandelt Paulus Hochgatterer auch Kinder, die Brutalität und Missbrauch erleben mussten, Kinder, die sonst kaum Gehör finden - egal, wie laut und lange sie brüllen, und Kinder, die verstummen.

Kinder brauchen Geschichten

„Es waren einmal drei Brüder. Als der Vater starb, bekam der jüngste lediglich eine Katze.“

Was mit einem Drama beginnt: dem Tod des Vaters, dem quasi Leer-Ausgehen beim Erben und dem völlig auf sich allein gestellt sein, entwickelt sich manchmal unerwartet positiv. Etwa beim Märchen vom gestiefelten Kater ist am Ende alles gut.

Erzählungen bieten Projektionsflächen, sie bieten Kindern die Möglichkeit, ihre inneren Konflikte zu erfassen und in der Fantasie auszuleben - idealerweise auch zu lösen. Kinder brauchen Geschichten - vor allem solche, in denen Krisen bewältigt werden.

In seinen Büchern übt Paulus Hochgatterer Kritik an unserer Gesellschaft, manchmal stellvertretend für jene Kinder, die es selbst nicht können. Er leiht Kindern also nicht nur seine Ohren, er leiht ihnen mitunter seine Stimme: Als Kinder und Jugendpsychiater, und als Autor. In den Geschichten, die er erzählt, rächt er sich manchmal an jenen Menschen, die Kindern und Jugendlichen Grauenhaftes antun.

Kinder brauchen Körper

Je kleiner, desto intensiver sind Kinder körperliche Wesen. Die Körperlichkeit verlernen die meisten von uns mit der Zeit ganz von alleine. „Laufen, Sex haben, sprechen. All diese Dinge lernt man leichter und schneller, wenn einem jemand dabei hilft. Gleiches gilt fürs Erzählen“ erklärt Hochgatterer in seinem Vortrags- und Essayband „Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe - eine Poetik der Kindheit“.

Katze auf Babyspieldecke

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

…. und Katzen?

Was haben Katzen in diesem Kontext zu suchen? Was haben Katzen mit Kindern zu tun? Möglichst viel, meint Paulus Hochgatterer.

Es gibt natürlich kein Rezept für eine geglückte Kindheit. Wenn es jedoch eines gäbe, dann gehörten Katzen unbedingt dazu!

Gestaltung: Rosa Lyon

Service

Literatur von Paulus Hochgatterer:

"Fliege fort, fliege fort", Roman, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2019

"Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war", Erzählung, Deuticke im Paul Zsolnay Verlag, Wien 2017

"Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe. Eine Poetik der Kindheit", Reden, Aufsätze, Vorlesungen, Essays, Deuticke, Wien / Frankfurt am Main 2012

"Das Matratzenhaus", Roman, Zsolnay Verlag, Wien 2010

"Die Süße des Lebens", Deuticke Verlag 2006

"Über die Chirurgie", Deuticke Verlag 2005

"Eine kurze Geschichte vom Fliegenfischen", Deuticke Verlag 2003

"Über Raben", Deuticke Verlag 2002

"Caretta, Caretta", Deuticke1999

"Wildwasser", Deuticke 1997

Wie die anderen - Dokumentarfilm über die Kinder und Jugendpsychiatrie in Tulln (2015), als DVD erhältlich