Archäologiemuseum, Ausstellungsansicht

UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM, N. LACKNER

Das Objekt der Begierde

Universalmuseum Joanneum

Acht Helme aus Bronze hängen in zwei Reihen versetzt übereinander in einer Vitrine. Fünf davon gehören zu dem Helm-Depot, das der Bauer Jurij Slatschek an einem Herbsttag des Jahres 1811 auf seinem Acker in Schöniagg in der Herrschaft Negau in der slowenischsprachigen Steiermark beim Pflügen fand. Insgesamt fand er 20 ineinander gesteckte, altertümliche Helme aus Bronze. Den ersten zerbrach er, um das Material zu bestimmen, und die anderen 19 barg er.

Das war im November 1811, erzählt Karl Peitler, Leiter der Abteilung Archäologie des Universalmuseums Joanneum in Graz. Im selben Monat, als ein Bauer die bronzenen Negauer Helme fand, wurde auch das Joanneum gegründet - als innerösterreichisches Nationalmuseum und als Museum des Herzogtums Steiermark. Der Negauer Helmfund von 1811 war namengebend für alle Helme mit derselben Formgebung in Mittel- und Norditalien sowie in Österreich und Slowenien, erläutert Karl Peitler.

Die Negauer Helme zeichnen sich durch ihre spezielle Form aus, durch ihre Krempe mit einer breiten Kehle, eine steile und hohe Haube mit einem starken Grat. Die Form der Haube ist dafür verantwortlich, dass den Trägern dieser Helme im Kampf ein sehr guter Schutz geboten wurde. Schwerthiebe glitten entweder an der hohen Kalotte ab oder gruben sich hier, wie bei einem ausgestellten Stück zu sehen ist, in den Grat der Helmhaube.

Negauer Helme

UMJ/N. Lackner

Negauer Helme

Wohin gehören die Helme?

Der Bauer Jurij Slatschek verkaufte die 20 Negauer Helme weit unter ihrem Wert an einen Kupferschmied aus Marburg. Der Kupferschmied erkannte, dass es sich bei diesem Fund um etwas Besonderes handelte, und veräußerte vier der schönsten Helme an den Kreishauptmann von Marburg, Johann Grimschitz, der sie bald darauf dem Joanneum schenkte.

Das Geschenk des Marburger Kreishauptmanns Grimschitz wird dem Kuratorium des Joanneums mit dem Museumsgründer Erzherzog Johann an der Spitze sehr willkommen gewesen sein, gab der Stifter des Hauses doch dezidiert den Auftrag, archäologische Funde zu sammeln, damit das neu gegründete Museum eine nationale Identität von Österreich und der Steiermark aufbauen konnte. Weniger Freude wird den Verantwortlichen des Joanneum der Umstand bereitet haben, dass durch die Meldung des Gouverneurs der Steiermark von diesem spektakulären Helmfund die Hofkanzlei in Wien und in weiterer Folge auch die kaiserlichen Sammlungen erfuhren, wo sie zu Objekten der Begierde wurden.

1812 wurde nämlich von der Hofkanzlei in Wien die Verordnung hinterlassen, dass sämtliche archäologischen Funde aus dem Gebiet der Habsburger Monarchie nach Wien gesendet werden mussten. Auch die Negauer Helme, von denen damals 17 Exemplare in der Sammlung des Joanneums waren. 1846 wurde diese Verordnung wieder gelockert. Heute befinden sich fünf der Helme, die dem Depotfund von 1811 zugeordnet werden können, im Archäologiemuseum des Joanneums.

Umdeutung während der NS-Zeit

Der berühmteste unter den Helmen befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien, der Helm B. Er trägt auf seiner Krempe eine in einem venetischen oder rätischen Alphabet eingeritzt Inschrift, die mit "harigastiteiva" aufgelöst werden kann. In den 1920er Jahren wurde dieser so genannte Harigast-Helm vom Indogermanisten Paul Kretschmer als ältestes germanisches Sprachdenkmal bezeichnet. Das griff die NS-Propaganda für ihre Zwecke auf und deutete die Inschrift als Namen eines germanischen Besitzers oder als religiöse Widmung an den Kriegsgott Wotan, den Gast des Heeres.

Heutzutage gilt die Annahme einer Germanizität der Inschrift aus phonetischen und grammatischen Gründen als umstritten. Nach der Okkupation des Königreichs Jugoslawien durch Hitlerdeutschland im April 1941 und der Angliederung der Untersteiermark (mit dem Fundort der Helme), an den Reichsgau Steiermark, wurden die Negauer Helme dazu missbraucht, für die Untersteiermark eine germanisch deutsche Vergangenheit nachzuweisen und somit für die deutsche Besetzung der Steiermark zu legitimieren. Um diesem Helm ein noch größeres Gewicht zu verleihen, wurde er mit der berühmten Schlacht von Noreia in Zusammenhang gebracht, in der im Jahr 113 vor Christus das römische Heer unter Cnaeus Papirius Carbo von den Germanen vernichtend geschlagen wurde. Die Helme seien nach dem siegreichen Ausgang der Schlacht von den germanischen Kimbern und Teutonen als Zeichen der Dankbarkeit dem Kriegsgott Wotan geopfert worden.

Joanneumsviertel

Joanneumsviertel

UMJ/N. LACKNER

Das Universalmuseum Joanneum

Das Joanneum ist in seiner Vielfalt einzigartig. Karl Peitler bezeichnet das Universalmuseum Joanneum als Flotte: 19 Museen an insgesamt 13 verschiedenen Standorten, die einen Überblick über die Steiermark mit den Präsentationen aus Kunst, Kultur und Natur bieten und zeigen wollen, dass die Steiermark immer in einen größeren internationalen Zusammenhang eingebettet war.

Zum Universalmuseum Joanneum gehören unter anderem das Museum für Geschichte in der Sackstraße in Graz, das Landeszeughaus, das Volkskundemuseum oder auch das Kunsthaus.

Modernes Archäologiemuseum

Das Archäologiemuseum war früher direkt im Schloss Eggenberg untergebracht. 2004 wurde das Lapidarium, wo die Römersteine des Universalmuseums Joanneum ausgestellt sind, am Rande des Schlossparks erbaut. 2009 übersiedelte das Archäologiemuseum in einen neu errichteten, halb unterirdischen Zubau. Die reduzierte, geradlinige Architektur lässt den Objekten genügend Spielraum, um ihre Charakteristika zu entfalten, so Karl Peitler.

Das Lapidarium mit Wänden aus Sichtbeton und viel Glas nach oben hin wurde genau an dem Ort errichtet, wo sich zur Barockzeit die Orangerie befand. Der umfangreiche Ausstellungsbereich des Archäologiemuseums befindet sich seit 2009 im Nebenraum. Die Objekte sind nicht nach verschiedenen Epochen gereiht sondern thematisch geordnet. Im Hintergrund rauschen Projektoren. Zu jeder thematischen Einheit wird eine Frage in weißen Buchstaben an die grauen Wände projiziert: Dürfen wir töten? Tragen wir Schmuck, um begehrt zu werden? Brauchen wir Götter? Seit wann essen wir nicht aus Hunger, sondern aus Genuss? Hat Kult mehr mit der Liebe zu tun oder mit dem Tod? Ist mein Wesen abbildbar?

Die Projektionen sollen die Kurzlebigkeit und Fragilität der Fragen zum Ausdruck bringen und bilden einen Gegensatz zu den Objekten und zur Architektur des Archäologiemuseums des Joanneum.

Service

Von 24. Juli bis 31. Oktober gibt es im Archäologiemuseum des Joanneums in Graz die Sonderausstellung Die Römer auf dem Schöckl zu besichtigen.

Gestaltung

  • Margit Atzler

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