Coilodesme cystoseirae, Beschreibungsblatt

GEMEINFREI

Radiokolleg

Das Ordnen der Natur

"Radiokolleg" über die biologische Taxonomie.

Von den Dinosauriern zu den Raubkatzen, über die Beuteltiere zu den Greifvögeln, dann zu den Krebsen, zu den aus Glas nachgebauten, ganz zarten Meerestieren und schließlich zu den Mineralien. Bei einem Besuch des Naturhistorischen Museums in Wien durchschreitet man von Raum zu Raum unterschiedliche Reiche der Natur. Die Schausammlung ist nach Familien, Gattungen und Arten der gezeigten Organismen geordnet. Diese Kategorien der biologischen Systematik nennt man Taxa. Die wissenschaftliche Disziplin, die für die systematische Benennung und Ordnung der Lebewesen zuständig ist, heißt Taxonomie.

Verwandtschaftsverhältnis

Auch in den Hinterzimmern des Naturhistorischen Museum (NHM) gilt diese Ordnung. In den hohen Holzregalen der wissenschaftlichen Sammlungen stehen Abertausende Schaugläser, in denen Exemplare in Alkohol eingelagert sind, etwa im Fall der Krebstiere. Andere Tiergruppen, zum Beispiel die Insekten, werden in riesigen, flachen Schubladen aufbewahrt. Beisammen liegen jeweils jene Arten, die eng miteinander verwandt sind, denn die moderne Taxonomie baut auf der Evolutionstheorie auf.

So geben auch die taxonomischen Namen das Verwandtschaftsverhältnis der Lebewesen an. Liest man etwa Bellis perennis, weiß man, perennis benennt die spezifische Art (das uns geläufige mehrjährige Gänseblümchen) innerhalb der Gattung Bellis, die zwölf Gänseblümchen-Arten umfasst.

Sprung im 18. Jahrhundert

Beim Anblick der umfassend beschrifteten, kleingliedrig geordneten Sammlungen wird einem schwindelig, stellt man sich vor, dass man einmal begonnen haben muss, eine solche Ordnung zu entwickeln. Die Entstehung der Taxonomie ist ein sehr spannender Teil der europäischen Wissenschaftsgeschichte. Während es bereits in der Antike Versuche gab, alle Lebewesen zu erfassen und in ein System zu bringen, machte die Disziplin im 18. Jahrhundert einen großen Sprung.

Es setzte sich die binäre Nomenklatur durch, die vorschrieb, dass wissenschaftliche Artnamen lateinisch und zweigliedrig zu sein haben, was erstmals eine unmissverständliche Kommunikation über Landessprachen hinaus ermöglichte. Dies wurde nicht zuletzt durch die Entdeckung und oft problematische Erschließung neuer Erdteile durch die Europäer/innen notwendig. Das Aufkommen der Taxonomie ist eng mit der Kolonialgeschichte Europas verknüpft.

Verstaubt und langweilig

Heute hat die Taxonomie allerdings noch ganz andere Imageprobleme. Sie gilt als verstaubt und langweilig. Es gibt wenig Geld für taxonomische Projekte. Wenige Studierende legen einen Schwerpunkt auf taxonomisches Arbeiten; vermutlich auch, weil dieses mit sehr viel Aufwand verbunden ist. Will man eine neue Art beschreiben oder eine Artbeschreibung überprüfen, bringt man oft Jahrzehnte zu, um ausreichend viele Belegexemplare zu sammeln, sie zu mikroskopieren und - je nach Organismus - zu kultivieren. Neuartige DNA-Analysen sind dabei zwar eine hilfreiche Unterstützung, ersetzen aber diese kleinschrittige Knochenarbeit nicht.

Taxonomische Grundkenntnis und Erfahrung werden allerdings in letzter Zeit wieder größer geschrieben, und es gibt mehr Forschungsförderung für taxonomische Großprojekte, denn vor dem Hintergrund des rasant voranschreitenden Artensterbens erhält die Taxonomie einen neuen, zentralen Stellenwert. Schließlich bestehen Rote Listen aus Taxa; eine Tier- oder Pflanzenpopulation kann nur unter Schutz gestellt werden, wenn sie einen Namen hat. Die Biolog/innen betonen daher: Man kann nur schützen, was man kennt.

Text: Julia Grillmayr

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